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vom 15. Mai 1902 ist nicht zu Gunsten Großbritanniens, sondern
der „gouvernements britannique et du Soudan“ abgeschlossen.
Bei keinem dieser Verträge ist die Türkei in irgend einer
Form zugezogen worden.
Die letzten indischen Truppen, die an der Rückeroberung
des Sudan beteiligt gewesen waren, schifften sich am 9. Dezem-
ber 1898 in Suakim wieder nach Indien ein. Heute wird die
militärische Besetzung des ganzen Sudangebiets durchgeführt
durch ägyptische Truppen und ein paar hundert Mann des klei-
nen englischen Kontingents, das ständig in Aegypten liegt.
Es wird ohne weiteres klar sein, daß bei solcher Sachlage
die Behauptung der Sudanregierung, die ägyptischen Gerichts-
verfassungsgesetze hätten sich niemals auf den Sudan bezogen,
unhaltbar war. Bis zum Abfall des Sudan unter dem Mahdi
bezogen sich alle ägyptischen Gesetze, die von einem Land oder
(sebiet Aegypten sprechen, fraglos auch auf die ägyptischer Ho-
heit unterstellten Gebiete des Sudan. Die Feststellungen, die
das Urteil in dieser Beziehung trifft, bedürfen keines Kommen-
tars.
Etwas komplizierter wird die Frage für die Zeit von der
Wiedereroberung des Sudan bis zum Abschluß des Vertrages
von 1899.
Sofern dritte Mächte hier die Erobernden waren, ist es klar,
daß sie die ägyptische Verfassung in den Gebieten, die sie den
Mahdisten abgewannen, nicht wieder zum Aufleben brachten,
sondern daß die eroberten Gebiete zu Kolonien der besetzenden
Mächte geworden sind. Frankreich, Belgien und England (in
Uganda) gegenüber ist das nie fraglich geworden. Bei der ita-
lienischen Okkupation von Massaua rekriminierte die Türkei, aber
nicht zu Gunsten Aegyptens, sondern zwecks Wahrung ihrer al-
ten Hoheitsrechte. Italien gab soweit nach, daß es die Souve-
ränität des Sultans anerkannte, aber in keiner Weise zum Aus-
druck kommen ließ, Massaua und das dazu gewonnene Hinter-