Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

— 544 — 
lagen des internationalen Völkerverkehrs handelt. Rechtlicher 
sein wollen als die staatenbildende Politik: die Quelle aller ju- 
ristischen Organisation, kann sehr leicht wie Utopismus wirken 
oder gar als ein aus kleinlicher Begrifisjurisprudenz künstlich 
hergestelltes Uebelwollen. 
Ich glaube, gerade im Interesse einer Fortentwicklung der 
Lehre vom Staat ist es zu begrüßen, daß ein Gerichtshof von 
so außerordentlichem Ruf, so allgemeiner juristischer Orientierung 
und anerkannter Unparteilichkeit, dazu unter seinem Präsidenten 
HERZBRUCH, der sich seit Jahren internationaler Anerkennung 
als juristische Kapazität erfreut, in dem Urteil, das ich abgedruckt 
habe, den Gedanken der normativen Kraft des Faktischen und 
der staatsmännischen Behandlung eines staatsrechtlichen Problems 
deutliche Geltung gegeben hat. Die Frage nach der rechtlichen 
Begründung eines aus politischer Umwälzung hervorgegangenen 
neuen politischen Zustandes war zu erledigen. Ein Weg, diese 
Frage juristisch befriedigend zu lösen, ist gefunden worden. Jede 
entgegengesetzte juristische Erwägung wäre — das steht fest — 
praktisch unbrauchbar; hätte der faktischen, von der internatio- 
nalen Machtverteilung abhängigen politischen Lage gegenüber 
verlorenes Spiel. Muß es da nicht den Juristen mit Genugtuung 
erfüllen, daß er jenen Weg gefunden sieht? 
In keiner anderen juristischen Disziplin geht die Umwandlung 
der Grundbegriffe träger vor sich, wie in der Staatsrechtslehre, 
und doch sehen wir nirgends deutlicher, wie bei staatsrechtlichen 
Verhältnissen, daß der jeweilige faktische Zustand maßgebend 
und gebietend über dem Begriff und über der abstrakten wissen- 
schaftlichen Formulierung steht. Alle Merkmale des Staats- 
begriffs sind ja schließlich doch nur induktiv festzustellen. Die 
Erkenntnis der wesentlichen Gestaltungsnormen geltender staat- 
licher Zustände lehrt uns, was wir unter Staat verstehen müssen. 
Wenn heute manche politischen Gebilde praktisch Staaten sind, 
die ihrem inneren Aufbau nach dem bisher von der Staatsrechts-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.