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Literatur.
Geschichte und Wirkungskreis des Reichsversicherungs-
amts. Vermehrter Sonderdruck aus dem Handbuch der Unfallver-
sicherung. 3. Aufl. III. Bd. Herausgegeben von Mitgliedern des Reichs-
versicherungsamts. Leipz. Breitkopf und Härtel. 1911. 334 S. gr. 8°.
Das Reichsversicherungsamt ist die eigenartigste Behörde im ganzen
Organismus des Reichs wegen der Größe, Verschiedenheit und sozialen
Bedeutung der ihr zugewiesenen Aufgaben. Das Anıt, welchem anfangs bei
Einführung der Unfallversicherung im wesentlichen die Bildung und Organisa-
tion der Berufsgenossenschaften oblag, hat einen so großen Umfang erlangt
und eine so vielseitige Tätigkeit ausgeübt, wie wohl kein anderes Amt des
Reichs, Das Amt ist zugleich eine rechtsprechende Behörde, deren Ent-
scheidungen endgültig sind, und eine oberste Verwaltungsbehörde, welche
die Aufsicht über ein weitverzweigtes System von Behörden führt und auch
zahlreiche Geschäfte der Verwaltung selbst zu erledigen hat. Durch diese
ihm zugewiesene Zuständigkeit ist es zugleich Schöpfer von Normen zur
Ergänzung, Auslegung und Fortbildung der Versicherungsgesetze geworden.
Mit dieser Verschiedenheit seiner Aufgaben hängt die Besonderheit seiner
staatsrechtlichen Stellung zusammen; es hat hinsichtlich seiner Entschei-
dungen die Unabhängigkeit eines höchsten Verwaltungsgerichtshofes, ist
aber dem Ressort des Reichsamts des Innern eingegliedert und durch das-
selbe dem Reichskanzler untergeordnet. In welchem ungeheuren Maße die
Rechtsprechung des Amtes gewachsen ist, ergibt sich aus der Tatsache,
daß die Zahl der Rekurse und Anträge in Unfallsachen, welche die Rekurs-
kollegien zu bearbeiten hatten, von 267 im Jahre 1886 auf 37934 im Jahre
1909 und die Zahl der Revisionssachen (Invalidenversicherung) von 3571 im
Jahre 1892 auf 6178 im Jahre 1909 gestiegen sind. Dementsprechend ist
der Personalbestand des Amtes gewachsen; er betrug anfangs einschließlich
des Präsidenten 3 ständige Mitglieder und 4 richterliche Beisitzer, dagegen
1908 außer dem Präsidenten 2 Direktoren, 23 Senatsvorsitzende und 40
sonstige ständige Mitglieder, sowie 99 richterliche Beisitzer, abgesehen von