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im amerikanischen, herrschend ist. Der Pazifismus zieht aber aus dieser,
von Del Vecchio als Lösung des Problems betrachteten Idee die gewiß
richtige Konsequenz, daß nur durch die Anwendung streng rechtlicher
Mittel bei der Entscheidung von Staatenstreitigkeiten — und dazu kann
u. E. der Krieg nicht gezählt werden — die Völker zur Gerechtigkeit er-
zogen werden können. Darüber, worin die Gerechtigkeit im Staatenleben
besteht und wie planmäßig auf sie hingearbeitet werden kann, würde man
gern mehr vom Verfasser vernehmen. Max Huber.
Spaight, J. M, War Rights on Land. London 1911. 520 Seiten.
Der Verfasser stellt das Landkriegsrecht dar in der Hauptsache in An-
lehnung an die Konventionen von 1899/1907 und an die revidierte Genfer-
konvention. Er begnügt sich aber nicht mit einer Erklärung der Bestim-
mungen dieser Staatsverträge und der Darlegung von deren Entstehung
auf den Konferenzen von Brüssel, Haag und Genf, sondern er will vor
allem an Hand der Kriegsgeschichte der neueren Zeit (d. h. seit dem Krim-
kriege) untersuchen, was Kriegsbrauch war und wieweit tatsächlich die
jeweilen als positive Normen betrachteten Vorschriften beobachtet worden
sind. Von systematischen Darstellungen berücksichtigt SPAIGHT fast nur
die offiziellen und ofliziösen ; wie z. B. den englischen Manual, den „Kriegs-
brauch“ des Großen Generalstabs u. a.
An tatsächlichem Material, an Unterlagen für eine Feststellung positiver
Normen und zur kritischen Beurteilung der Kriegsrechtssätze bietet SPAIGHT
nicht nur mehr als irgend eine andere Schrift über diese Materie, sondern
— wohl ohne Uebertreibung — als die gesamte kriegsrechtliche Literatur
zusammengenommen. Denn bei SPAIGHT findet man nicht nur die alt-
bekannten, teils antiken Ladenhüter kriegsgeschichtlicher Beispiele.
Namentlich für das Kriegsrecht im engeren Sinne („Gesetze und Gebräuche
des Landkrieges“) bringt der Verfasser eine reiche Fülle wertvollen und
gut dokumentierten historischen Materials bei. Was SPAIGHT vorwiegend
aus der englischen, amerikanischen und französischen kriegsrechtlichen
Literatur schöpft, hindert ihn nicht, sehr unbefangen sowohl englische als
deutsche Kriegführung zu kritisieren. Gewiß ist es wünschbar, daß die so
umfangreiche und gründliche deutsche kriegsgeschichtliche Literatur nach
ihrem kriegsrechtlichen Inhalt durchsucht werde: eine sicherlich lohnende,
aber mühsame Arbeit. Denn die militärischen Werke bringen das Kriegs-
rechtliche nicht als solches, sondern nur einzelne Tatsachen, deren juri-
stische Bedeutung meist nicht in die Augen fällt.
Die fast ausschließliche Berücksichtigung der Kriegsgeschichte und die
ziemlich souveräne Beiseiteschiebung der juristischen Lehrbücher und Mono-
graphien hat aber das Buch von SPAIGHT nicht zu einer Kompilation histo-
rischer Tatsachen herabsinken lassen. Im Gegenteil — der Verfasser, der