Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

— 575 — 
Sorgfalt nachgeht. Durch Stein ist sowohl in den Hardenbergschen Ent- 
wurf einer Bundesverfassung vom Juli 1814 wie in die Nassauische Verf.- 
Urkunde vom 1. Sept. 1814 der Satz gekommen: „Wichtige, das Eigentum, 
die persönliche Freiheit und die Verfassung betreffende neue Landesgesetze“ 
sollen „ohne die Zustimmung der Landstände nicht eingeführt werden“. 
Verf. legt das in guten Darlegungen so aus, daß STEIN den Landständen 
nur einen, wiewohl erheblichen, Teil der Gesetzgebung überweisen wollte, 
dessen Umfang in verschiedenen Staaten verschieden sein könnte, je nach 
dem Maße der gewährten staatsbürgerlichen Freiheitsrechte (S. 47). Die in 
sämtlichen preußischen Bundesverfassungsentwürfen wiederkehrende Formel 
(S. 49f.) taucht dann in zahlreichen einzelstaatlichen Verfassungen und 
Verfassungsentwürfen der Jahre 1815—18 wieder auf (S. 53£.) und spielt 
speziell auch in der Vorgeschichte der badischen Verf.-Urk. vom 22. Aug. 
1818 ihre bedeutsame Rolle. Das wird vom Verf., der sich außer auf die 
Forschung v. WEECHs auch auf bisher unverwertete Archivalien stützen 
kann (8. 55 Note 16), genau erörtert. Er kommt zu dem überzeugenden 
Resultat, daß die Freiheits- und Eigentumsformel der Entwürfe, die dann 
in die Verf.-Urk. übernommen worden ist, eine Teilung der Gesetzgebung 
bedeutet, welche vor die Landstände außer bürgerlichen und Strafgesetzen 
auch einen Teil der Verwaltungs- oder Polizeirechtsgesetzgebung verweist, 
ohne daß dieser Teil der Verwaltungsgesetzgebung präzis umschrieben 
werden könnte. Demgemäß (S. 63) läßt sich über den Sinn des $ 65 der 
bad. Verf.-Urk. (und ebenso des $ 2 Tit. VII der bayer. Verf.-Urk., wie 
Verf. S. 67f. iin Gegensatz zu SEYDEL ausführt) nur soviel sagen, daß er 
die Zivil- und Strafgesetze und einen nicht genau bestimmbaren Teil der 
Verwaltungsgesetze umfaßt (S. 67f.). Auch auf die Regelung des gericht- 
lichen Verfahrens und der inneren Gerichtsverfassung hat ihn die Staats- 
praxis von Anfang an bezogen, während die Lokalisation der Gerichte nicht 
darunter fällt — ein zwischen Regierung und Kammern oft diskutierter 
Streitpunkt (S. 69f.). Grundsätzlich gehören organisatorische Anordnungen 
ins Gebiet der „selbständigen“ Verordnung (8. 73f., 78£.). Jedenfalls bleibt 
ein breiter Grenzstreifen, durch den erst die Praxis die genauere Tren- 
nungslinie ziehen konnte, für welche jedes einzelne Gesetz wegen des 
Prinzips der formellen Gesetzeskraft einen endgültigen Markstein setzt. 
Deshalb ist die von gutem Urteil zeugende Uebersicht über die Entwick- 
lung des Gesetzes- und Verordnungsbegriffs in der badischen Staatspraxis, die 
Verf. S. 88—102 bietet, von besonderem Wert. Entscheidend für Zweifelsfälle 
wurde mehr und mehr die Wichtigkeit oder Unwichtigkeit des Gegenstandes 
— ein handlicher praktischer Behelf. Das hat zu brauchbaren Resultaten 
geführt, in denen man mit dem Verf. eine gewisse stillschweigende Ver- 
fassungswandlung erblicken darf, die Verf. allerdings nur undeutlich um- 
schreibt. Seine Stärke liegt überhaupt mehr im Historischen, als im eigent- 
lich Dogmatischen. Das zeigt sich u. a. bei der Zusammenfassung des
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.