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Verwaltungsrechts unterscheiden sich nicht nur durch die verschiedene Me-
thode, in der sie denselben Rechtsstoff verarbeiten, sondern zunächst schon
dadurch, daß sie überhaupt einen verschiedenen Rechtsstoff zum Gegenstand
ihrer Darstellung haben. OrTTo MAYER gibt in seinem feindurcharbeiteten
deutschen Verwaltungsrecht ebenso wie FLEINER in seinen kürzlich er-
schienenen trefflichen Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts eine
Lehre darüber, wie sich die verwaltende Tätigkeit im Staat vollzieht.
Gegenstand ihrer Darstellung sind die Normen über die Art der staatlichen
Funktion, die Normen darüber, wie, mit welchen Mitteln, in welchen Formen
verwaltet wird. Aber daneben gibt es noch eine Normengruppe, die man
für sich auch unter einem einheitlichen Gesichtspunkt zusammenfassen
und mit den erstgedachten zusammen im Ganzen wohl unter einen weiteren
Begriff des Verwaltungsrechts bringen kann. Das sind die Normen darüber, wie
die ım staatlichen Gemeinwesen auf den verschiedenen Gebieten erscheinen-
den menschlichen Lebensbetätigungen in Beziehung zum Staat gesetzt werden,
die Normen, in denen das Interesse zum rechtlichen Ausdruck kommt,
welches der Staat an der Gestaltung dieser verschiedenen Lebensäußerungen
nimmt, und die damit den Gegenstand und Umfang der Öffentlichen Ver-
waltungstätigkeit bestimmen. (Gegenstand der Lehre dieses Verwaltungs-
rechts sind z. B. die Normen über das staatliche Eingreifen in die Regelung
der Rechtsverhältnisse der natürlichen und juristischen Personen, über die
öffentliche Mitwirkung bei allen Tätigkeiten zur körperlichen Erhaltung,
geistigen Bildung und wirtschaftlichen Förderung des Volkes: das, was man
in Sonderbezeichnungen z. B. unter Sozialgesetzgebung, Schulrecht, Agrar-
recht, Gewerberecht usw. zusammenfaßt, aber nur soweit die öffentlich
rechtliche Normierung in Betracht kommt. Auf die Darstellung dieses
Rechtsstoffs ist das Absehen jener beiden Lehrbücher des Verwaltungsrechts
überhaupt nicht gerichtet. Eine wenn auch nur oberflächliche Uebersicht
darüber gehört aber unbedingt auch zur systematischen Ausbildung des
Juristen. Wenn es auch bei den jetzigen Studienplänen nicht möglich
ist, daß der Studierende von dem Öffentlichen Recht eine annähernd so
vollständige Kenntnis erhält wie von dem Privatrecht, so muß er doch
wenigstens eine ungefähre Vorstellung davon bekommen, ob und unter
welchen Gesichtspunkten für die verschiedenen Lebensgebiete öffentlich-
rechtliche Normen erlassen sind. Und zwar ist dies nicht nur notwendig
für den Juristen, der in die allgemeine Staatsverwaltung oder in eine
Spezialverwaltung treten will, sondern auch für den künftigen Richter,
Staatsanwalt und Rechtsanwalt. Die Gerichte haben ja zum Teil in der sog.
freiwilligen Gerichtsbarkeit selbst Verwaltungstätigkeit, sie haben bei der
Ausübung des sog. Verwaltungsstrafrechts jenes Verwaltungsrecht anzu-
wenden, sie kommen in der Praxis schließlich mit allen Verwaltungsgebieten
in Berührung. Die oft beklagte sogenannte Weltfremdheit junger Richter
besteht manchmal nur in der Unkenntnis unseres Öffentlichen Rechts, wie
Archiv des öffentlichen Rechts. XXVIII 4. 38