Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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Grundlagen des materiellen Disziplinarrechts unverändert lassen. Hier 
beziehen sich seine Wünsche nur auf Einzelheiten: Beseitigung von allerlei 
Zweifeln des geltenden Rechts, Anpassung mehrerer Einzelvorschriften des 
preußischen Rechts an das Reichsrecht, insbesondere vollständige Abschaf- 
fung der in Preußen gegen untere Beamte noch zulässigen Arreststrafe, 
Beseitigung jeden Verlustes der Umzugkosten bei Strafversetzungen, Be- 
schränkung der Minderung des Diensteinkommens nach Höhe und Dauer, 
einheitliche Regelung der Zwangsstrafen zur Erzwingung künftiger Erfüllung 
einer Amtspflicht. Die allgemeine Fassung des Begriffs der Dienstvergehen 
und das freie Ermessen der Disziplinargerichte bei der Anwendung der 
zulässigen Strafen sollen bleiben, eine Verjährung für Disziplinarvergehen 
soll nicht zugelassen werden. 
Erheblicher sind die Wünsche BrRAnps für das förmliche Disziplinar- 
verfahren. Weder die Organisation der Disziplinargerichte noch die 
Durchführung des Verfahrens in seinen sämtlichen einzelnen Stadien bieten 
ihm heute eine ausreichende Gewähr für eine unparteiische und erfolg- 
sichere Rechtspflege. Von der Rechtsprechung in Disziplinarsachen will 
er die jetzt vielfach zuständigen vorgesetzten Provinzialbehörden und das 
Staatsministerium ganz ausschalten. In erster Instanz sollen Disziplinar- 
kammern am Sitze eines jeden Oberlandesgerichts, in zweiter Instanz der 
Disziplinarhof in Berlin entscheiden; jene sollen mit fünf, dieser mit sieben 
Mitgliedern besetzt sein, davon sollen drei bezw. vier (einschließlich des 
Vorsitzenden) ordentliche Richter sein, die übrigen dem Geschäftskreis des 
Ministeriums entnommen werden, dem der beschuldigte Beamte angehört. 
Den Einleitungsbeschluß soll der Präsident der Disziplinarkammer auf 
Antrag der vorgesetzten Dienstbehörde erlassen. Für die Voruntersuchung 
fordert BRAnD als Untersuchungskommissar stets einen ordentlichen Richter, 
ferner Parteiöffentlichkeit, Zulassung des Verteidigers und obligatorische 
Schlußvernehmung des Angeschuldigten. Nach dem Abschluß der Vor- 
untersuchung soll unter völliger Ausschaltung des Ministers die Disziplinar- 
kammer entscheiden, ob der Angeschuldigte außer Verfolgung zu setzen 
oder das förmliche Verfahren einzustellen oder die Sache zur mündlichen 
Hauptverhandlung zu verweisen ist. Die Hauptverhandlung erster Instanz 
soll grundsätzlich öffentlich, mündlich und unmittelbar sein, auch für die 
ganze Beweisaufnahme. Die Berufung bleibt, wie bisher, zugunsten und 
zu ungunsten des Beamten unbeschränkt zulässig; die Hauptverhandlung 
darüber soll sich in denselben Formen bewegen, wie in der ersten Instanz, 
auch von der Unmittelbarkeit der gesamten Beweisaufnahme bei Wider- 
spruch des Angeschuldigten oder des Staatsanwalts nicht abgewichen 
werden. Weiter werden die Zulässigkeit einer Wiederaufnahme des Ver- 
fahrens und die gesetzliche Anerkennung eines Entschädigungsanspruchs 
unschuldig Verurteilter gefordert, endlich Abschaffung des beschränkt be- 
stehenden königlichen Bestätigungsrechtes.
	        
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