— 601 —
Grundlagen des materiellen Disziplinarrechts unverändert lassen. Hier
beziehen sich seine Wünsche nur auf Einzelheiten: Beseitigung von allerlei
Zweifeln des geltenden Rechts, Anpassung mehrerer Einzelvorschriften des
preußischen Rechts an das Reichsrecht, insbesondere vollständige Abschaf-
fung der in Preußen gegen untere Beamte noch zulässigen Arreststrafe,
Beseitigung jeden Verlustes der Umzugkosten bei Strafversetzungen, Be-
schränkung der Minderung des Diensteinkommens nach Höhe und Dauer,
einheitliche Regelung der Zwangsstrafen zur Erzwingung künftiger Erfüllung
einer Amtspflicht. Die allgemeine Fassung des Begriffs der Dienstvergehen
und das freie Ermessen der Disziplinargerichte bei der Anwendung der
zulässigen Strafen sollen bleiben, eine Verjährung für Disziplinarvergehen
soll nicht zugelassen werden.
Erheblicher sind die Wünsche BrRAnps für das förmliche Disziplinar-
verfahren. Weder die Organisation der Disziplinargerichte noch die
Durchführung des Verfahrens in seinen sämtlichen einzelnen Stadien bieten
ihm heute eine ausreichende Gewähr für eine unparteiische und erfolg-
sichere Rechtspflege. Von der Rechtsprechung in Disziplinarsachen will
er die jetzt vielfach zuständigen vorgesetzten Provinzialbehörden und das
Staatsministerium ganz ausschalten. In erster Instanz sollen Disziplinar-
kammern am Sitze eines jeden Oberlandesgerichts, in zweiter Instanz der
Disziplinarhof in Berlin entscheiden; jene sollen mit fünf, dieser mit sieben
Mitgliedern besetzt sein, davon sollen drei bezw. vier (einschließlich des
Vorsitzenden) ordentliche Richter sein, die übrigen dem Geschäftskreis des
Ministeriums entnommen werden, dem der beschuldigte Beamte angehört.
Den Einleitungsbeschluß soll der Präsident der Disziplinarkammer auf
Antrag der vorgesetzten Dienstbehörde erlassen. Für die Voruntersuchung
fordert BRAnD als Untersuchungskommissar stets einen ordentlichen Richter,
ferner Parteiöffentlichkeit, Zulassung des Verteidigers und obligatorische
Schlußvernehmung des Angeschuldigten. Nach dem Abschluß der Vor-
untersuchung soll unter völliger Ausschaltung des Ministers die Disziplinar-
kammer entscheiden, ob der Angeschuldigte außer Verfolgung zu setzen
oder das förmliche Verfahren einzustellen oder die Sache zur mündlichen
Hauptverhandlung zu verweisen ist. Die Hauptverhandlung erster Instanz
soll grundsätzlich öffentlich, mündlich und unmittelbar sein, auch für die
ganze Beweisaufnahme. Die Berufung bleibt, wie bisher, zugunsten und
zu ungunsten des Beamten unbeschränkt zulässig; die Hauptverhandlung
darüber soll sich in denselben Formen bewegen, wie in der ersten Instanz,
auch von der Unmittelbarkeit der gesamten Beweisaufnahme bei Wider-
spruch des Angeschuldigten oder des Staatsanwalts nicht abgewichen
werden. Weiter werden die Zulässigkeit einer Wiederaufnahme des Ver-
fahrens und die gesetzliche Anerkennung eines Entschädigungsanspruchs
unschuldig Verurteilter gefordert, endlich Abschaffung des beschränkt be-
stehenden königlichen Bestätigungsrechtes.