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er angerufen hat, nicht gehorcht, erscheint inkongruent. Sie lehnt denn
auch OPPENHEIM mit aller Entschiedenheit ab (S. 26). Ich vermag ihm
hierbei nicht zu folgen. Nicht, als ob ich den Begriff des Zwanges als irgend-
wie dem Recht immanent ansähe®, wohl aber scheint mir keines der von
OPPENHEIM beigebrachten Argumente: Widerstreit mit dem Begriff‘ der
Souveränität und dem des Völkerrechts, Widerstreit mit dem internationalen
Frieden, durchschlagend zu sein.
OPPENHEIM selbst erkennt an, daß ein Krieg gegenüber einem reni-
tenten Staat niemals völlig außer dem Bereich der Möglichkeit liegen
wird (8. 54). Er gelangt zu diesem Satz gelegentlich der Frage, ob eine
zwangsweise Verwirklichung von Schiedssprüchen internationaler Gerichte
für zulässig erachtet werden kann. Er erhofft — mit Recht — für die Zu-
kunft den Sieg des Satzes, daß ein Staat der Sentenz auch ohne Gewalt
folgen müsse und fährt dann fort (S. 54): „... wenn aber trotz alledem
der Fall eintreten sollte, daß ein Staat sich weigert es zu tun, so können
und werden unbeteiligte Mächte das Recht der Intervention ausüben. Denn
darüber ist kein Zweifel, daß alle Staaten, welche sich an der Einrichtung
von internationalen Gerichten beteiligen, ein Recht der Intervention haben,
sollte ein vor den internationalen Gerichten erscheinender Staat sich wei-
gern, das Urteil anzunehmen.“ Das kann und soll wohl nichts anderes
besagen, als daß ein Staat, der sich weigert, einen internationalen Schieds-
spruch anzuerkennen, alle die Unrechtsfolgen über sich ergehen lassen
muß, die eine Verletzung einer Kollektivvereinbarung, d. h. ein völkerrecht-
liches Delikt, auszulösen vermag. Voraussetzung dafür ist natürlich, daß
der widerstrebende Staat eine Vereinbarung®* des Inhalts unter-
zeichnet hat, daß er in allen Fällen, in denen er eine Streitfrage einem
Schiedsgericht unterbreitet, dessen Sentenz gehorchen werde. Soweit eine
derartige Vereinbarung nicht vorliegt, sondern, abgesehen vom Grund-
vertrag®®, nur das Kompromissum, also der Vertrag über den konkreten
® Ich unterschreibe vielmehr Wort für Wort wenn sich OPPENHEIM
S. 45 dahin äußert: „..... Rechtsprechung an sich hat aber mit Exe-
kutionsgewalt so wenig zu tun wie das Dasein von Recht selbst...... wie
dasjenige Recht ein vollkommeneres ist, hinter welchem eine es zwingend
durchsetzende Zentralgewalt steht, so ist auch diejenige Rechtsprechung
eine vollkommenere, welche mit physischer Exekutionsgewalt verbunden
ist. Aber in dem einen wie in dem andern Fall ist die physische Gewalt
kein Begriffsmerkmal.“
6° Im Sinne der modernen, von BiınpDine für das Staatsrecht begrün-
deten und von TRIEPEL auf das Völkerrecht übertragenen Auffassung.
°® Ich möchte diesen Ausdruck, in Analogie des „Kausalgeschäftes“
im Privatrecht, vorschlagen. Die Ausdrücke „Schiedsabkommen* und
„Schiedsvertrag“ wirken nur verwirrend. Bei dem Gebrauch der Worte