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hält, der Abstimmungsmodus verschieden ist. Ein solch variables
Stimmenverhältnis haben wir bislang in den Art. 5 und 37 RV.
Bei einer Abstimmung über die in diesen Artikeln angegebenen
Materien ist nicht absolute, nicht qualifizierte Stimmenmehrheit
entscheidend, sondern nur die Tatsache, daß
1. das Resultat der Abstimmung eine Veränderung der be-
stehenden Zustände verlangt und
2. Preußen seine Stimmen gegen die Veränderung abge-
geben hat. Also zunächst werden die Stimmen gezählt und
daraufhin geprüft, ob die Majorität eine Veränderung will. Ist
das nicht der Fall, genügt diese Feststellung. Ist aber eine
Majorität für die Veränderung, dann werden die Stimmen
Preußens geprüft, eb sie für oder gegen die Veränderung
abgegeben sind, und in dem letzteren Falle werden alle anderen
Stimmen nicht beachtet, nicht gezählt.
Dieselbe Erscheinung zeigt uns die neue Vorschrift des Art. I
Abs. 2. Es ist keine von vorherein für bestimmte Materien
gegebene Stimmenmehrheit vorgeschrieben, und insoweit unter-
scheiden sich die beiden Fälle. Dies ist jedoch kein sachlicher
Unterschied für die Art der Beurteilung der Bedeutung dieser
Entscheidung. Während die eigenartige Behandlung der Stim-
menverhältnisse in den Art. 5, 37 RV. ihre politische Berech-
tigung in der Wichtigkeit und Bedeutung der Materien findet,
liegt eben das politische Motiv für unseren Fall in den stimm-
führenden Staaten. Daher konnten bestimmte Materien nicht
angegeben werden, aber im übrigen wird der Vorgang derselbe
sein, nur, daß das objektive Moment des Abstimmungsgegen-
standes durch das subjektive Moment der Stimmführer ersetzt
wird. Hier wie dort wird in die Abstimmung ein variables Mo-
ment hineingetragen, das die absolute Entscheidung hindert. Hier
wie dort ist nach Feststellung des Abstimmungsresultates zu prü-
fen, ob sich Preußen in der Majorität oder in der Minorität be-
findet. Von dieser Feststellung — und darin liegt das analoge