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in politischen Angelegenheiten nicht mitzureden hätte, könnte
seine Stellung nicht die eines Mitgliedes des Bundes sein. Es
würde also ein Zwittergebilde geschaffen worden sein, das wirt-
schaftlich als Mitglied, politisch nicht als Mitglied angesehen
werden müßte: eine Konstruktion, die bei dem politischen Cha-
rakter des Deutschen Reiches unmöglich wäre.
Für uns ergibt sich daraus aber in Verbindung mit dem
eben Gesagten, daß Art. 1 E.-L. ein nicht nur auf wirtschaft-
liche Fragen beschränktes Votum haben sollte, sondern mehr.
Dies kann aber nur in der Verleihung der politischen Stimm-
fähigkeit bestehen, und damit ist anerkannt, daß E.-L. ein — wenn
auch — modifiziertes Stimmrecht hat und zwar grundsätzlich.
Man sehe einmal davon ab, immer davon zu sprechen, daß
die Stimmen E.-L. in diesem Fall „gezählt“ werden, in jenem
nicht, und formuliere die Bestimmung des Art. 1 so, daß die
Majorität in allen Angelegenheiten 31 betragen müsse, wenn nur
Preußen oder E.-L. in der Majorität enthalten sei, dagegen 32,
wenn Preußen und E.-L. darin enthalten seien. Damit wäre
nichts anderes ausgedrückt, als durch Art. 1, aber die „Formel“
auf ihren wirklichen Gehalt zurückgeführt.
Und daß es sich lediglich um eine Abstimmungsmodalität
handelt, durch die eine Komplikation in die Verfassung gebracht
wird, nicht aber um eine Stimmenverleihung, die in ihrer
Wesenheit von den übrigen Stimmrechten abweicht, hat der
Staatssekretär auch im Reichstag in seiner Rede dadurch zum
Ausdruck gebracht'?, daß er sagte:
„Sie finden also, daß keineswegs die Verfassung aufgebaut ist
auf dem Grundsatz des nackten Majoritätsprinzips, sondern daß
die Schöpfer dieser Verfassung das Stimmrecht der einzelnen
Bundesstaaten den Bedürfnissen entsprechend in einer sehr
komplizierten Weise ausbalanciert haben.“
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12 Sten. Ber. S. 7058 182. Sitzung.