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oder diejenigen Organe und Institutionen zu nehmen, die wir bis-
her als symptomatische Merkmale des Staatscharakers E.-L.’s an-
sahen, so liegt darin kein Novum. Denn nach Art. 78 IIRV.
ist auch bezüglich der Einzelstaaten die Möglichkeit einer
solchen Entwicklung enthalten. Der Unterschied gegenüber E.-L.
würde nur darin bestehen, daß bei E.-L. ein einfaches Reichs-
gesetz dazugehörte, während bei den Einzelstaaten ein ver-
fassungsänderndes Gesetz erforderlich wäre: ein Unterschied der
nur quantitativ ist.
Eins der bedeutsamsten Hindernisse für die Annahme, E.-L.
sei ein Staat, bestand bislang darin, daß über der Landesgesetz-
gebung E.-L.’s das Damoklesschwert einer stets drohenden In-
tervention der Reichsgesetzgebung hing. Früher mußte man sagen:
E.-L. hat „Landesgesetzgebung“, solange nicht die Faktoren
der Reichsgesetzgebung es für gut befanden, irgend eine Materie
der sogenannten Landesgesetzgebung zu regeln.
Die Folge war, daß das Reichsgesetz ispso jure die ent-
gegenstehenden Normen der sogenannten Landesgesetzgebung
außer Kraft setzte. Heute wird man formulieren müssen: So-
lange das Reichsgesetz von 1911 besteht, hat E.-L. in allen den
Einzelstaaten überlassenen Materien die ausschließliche
Gesetzgebung.
Die Folge ist, daß, wenn es den gesetzgebenden Faktoren
des Reiches beikommen sollte, ein Gesetz in dieser Materie zu
erlassen, dies ebenso zu beurteilen wäre, wie der entsprechende
Fall bei anderen Einzelstaaten: das Reichsgesetz überschritte die
Kompetenz des Reiches, und hätte somit zu seiner Voraussetzung
eine Verfassungsänderung.
Und wenn man schon das „Solange“ als eine Resolutivbe-
dingung auffassen will, so muß man sagen, solange das Ge-
setz besteht, ist E.-L. Staat, ebenso wie die Einzelstaaten s o-
lange Staaten sind, als nicht von der theoretischen Möglich-