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objekt war, nicht aber darin, daß der bis dahin absolute
Monarch herabsinkt zu einem Faktor der Gesetzgebung, wäh-
rend er bis dalın der alleinige Faktor war. Daß die erste
Tatsache eine Minderung der Machtfülle des Monarchen herbei-
führt, ist nur eine notwendige Folgeerscheinung. Sowenig also
eine konstitutionelle Monarchie durch die Tatsache, daß der
Monarch ein Ernennungsrecht zur I. Kammer hat, zu einer
Scheinmonarchie wird, so wenig kann man in der Existenz
eines solchen Rechtes in Elsaß-Lothringen eine Tatsache sehen,
die das Gesetzgebungsrecht illusorisch mache. Das können nur
die behaupten, die in der Republik, in der demokratisch organi-
sierten Staatsverfassung den modernen Rechtsstaat erkennen zu
können glauben — ein politisches Ideal, kein Argument von
staatsrechtlicher Bedeutung.
Im Uebrigen hätte der Kaiser ja auch ohne diese Befugnis,
die Hälfte der Mitglieder der I. Kammer zu ernennen, die Mög-
lichkeit, ein ihm nicht genehmes Gesetz zu verhindern durch
Weigerung seiner Sanktion. Mit Recht betont LABAND**, daß
es total irrig und mißdeutig ist, in solchen Fällen von einem
kaiserlichen Veto zu sprechen. Das Veto ist rechtlich etwas
negierendes, etwas, was dem Gesetzgeber an der Ausübung seines
Rechtes hinderte. Die Sanktion ist aber ein koordiniertes Glied
der Gesetzgebung, neben der Feststellung des Gesetzesinhaltes,
da durch sie erst der Gesetzentwurf zum Gesetz erhoben wird.
Von diesem Gesichtspunkt aus läßt sich das Ernennungsrecht
zur I. Kammer als ein Vetorecht bezeichnen, weil seine even-
tuelle Wirkung die sein kann, in dem gewöhnlichen Gang der
Gesetzgebung in einer Weise einzugreifen, daß das unter nor-
malen Umständen gewonnene Resultat nicht erreicht wird.
Aber weder Vetorecht, noch Verleihung der Sanktionsbefug-
nis an den Kaiser vermag der rechtlichen Natur der I, Kammer
Eintrag zu tun. Beides sind Folgeerscheinungen des monarchischen
24 LABAND, Das Staatsrecht des deutschen Reiches Bd. II S. 7.