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einem gefährlichen, riskanten Vorgehen sprechen wollen, dann
ist das nicht diese Stelle, dann ist es das Gesetz von 1877 ge-
wesen, das den Landesausschuß an die Stelle des Reichstags
setzte, denn damit ist der Schwerpunkt der Landesgesetzge-
bung in das Land selbst gelegt worden; das ist der Moment
gewesen, durch welches den Reichslanden ein staatliches Eigen-
leben gewährt worden ist, und in noch höherem Grade gilt dies
von dem Verfassungsgesetz 1879, das ein selbständiges reichs-
ländisches Ministerium, das einen Staatsrat schuf, das den
Landesausschuß in seinen Befugnissen neu regelt. Es wird
der Anschein erweckt, als ob E.-L. gegenwärtig noch kein der-
artiges Staats- und Verfassungsleben besäße, als wären wir
es jetzt, die wir mit dieser Vorlage ein solches Leben neu
schüfen, und als ob wir damit dann das Reich in Gefahr
stürzten. Nein meine Herren, so liegt die Sache nicht. Dieses
selbständige Leben in den Reichslanden existiert bereits,
es ist unvollkommen, es hat Mängel an sich, die beseitigt wer-
den müssen, die man meiner Ueberzeugung nach schon längst
hätte beseitigen müssen. Aber es ist kein neues Haus
was wir aufrichten, sondern wir versuchen da ein vorhan-
denes Haus wohnlicher einzurichten.“
Der Kanzler charakterisiert damit nur die tatsächliche
Seite der Verhältnisse. Rechtlich hat sich eine Wesens-
änderung vollzogen. Ein Moment, das rechtlich der Annahme
der staatlichen Autonomie entgegenstand, ist weggefallen.
Auch bietet die Reichsverfassung in anderer Beziehung die
Möglichkeit des Nachweises, daß E.-L. kein Reichsland ist;
denn nach Art.6 RV. ist der Einzelstaat ermächtigt, Bevoll-
mächtigte zu ernennen. Es liegt im Wesen der Vollmacht,
daß sie nur dann statt haben kann, wenn ein Verhältnis zum
dritten hergestellt werden soll. Sie regelt das Außenverhält-
nis und unterscheidet sich dadurch vom Auftrag. Bei den
Einzelstaaten ist demgemäß der Abgesandte im Verhältnis zum