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VIL Nach Apponyi soll es einen Widerspruch in sich
schließen, die Stände als unreif für das Verständnis des m o-
dernen Staates zu bezeichnen und doch aus ihren Erklärungen
moderne Staats behörden hervorgehen zu lassen, oder es soll
zum mindesten nicht angehen, aus der technischen Unbeholfenheit
der Stände zugunsten des Gesamtstaates Kapital zu schlagen °!.
Wenn aber dem magyarischen Rechtsbewußtsein die Eroberung
und die physische Ueberwältigung schwächerer Stämme einen
Rechtstitel für ihre Staatengründung abzugeben vermag °?, so muß
dies um so mehr von der unblutigen Ueberwindung unvoll-
kommener Rechts- und Staatenbildungen durch vollkommenere
lediglich dureh die Machtihrer kulturellen und poli-
tischen Bedeutung und durch ihre höhere technische Voll-
endung gelten, zumal dann, wenn ihr konservatorische Bedeutung
für jene zukommt, die von ihr erfaßt werden. Daß die primitive
Form der ständischen Verwaltung in allen ehemals ständischen
Staaten der romanistisch geschulten landesfürstlichen weichen, daß
das deutsche Recht in allen seinen Zweigen sich mit römischem
und kanonischem Recht durchsetzen lassen mußte, ıst nicht Rechts-
bruceh sondern Erfüllung des Gesetzes der Rechtsentwick-
lung. Die österreichische Zentralisation war im Rahmen der
ständischen Verfassung rechtlich möglich, sie vollzog sich intra
aus dem ungarischen Verfassungsrecht abgeleitete Sonderung des Dezernats
in der Form von Gesetz, Rechtsverordnung, Verfügung, Entscheidung, das
inlandesverfassungsmäßigen Formen, und der Repräsentation,
des Heeresbefehls, der Verwaltung der landesfürstlichen Einkünfte, der
Beratung, die in rechtseinheitlichen Formen für alle Länder,
Ungarn eingeschlossen, geübt werden können, ironisch als einen ge-
nialen Interpretationsversuch. Allein staatsrechtlich ist die Zentrali-
sation und ihre Grenzen, sowie die Landtagsartikel 1790/91 anders gar
nicht zu erklären und zu verstehen.
51 APPONYI, Separatabdruck S. 9£., Oesterreichische Rundschau 28. Bd.
S. 172f. Dagegen TEZNER a. a. O. 8. 164 (29. Bd).
52 Osupay a. a. O. S. 35, 61; STEINACKER, Ueber Stand und Aufgaben
der ungarischen Verfassungsgeschichte im 28. Bd. der Mitteilungen des In-
stituts für österreichische Geschichtsforschung 8. 332.