— 131 —
und es weder ein einheitliches Thronfolgerrecht noch ein Staats-
bürgerrecht, vielmehr wie in allen territorialen Gesamtstaaten nur
ein nach Ländern oder Provinzen gegliedertes Inkolat oder Indi-
genat gab. Und ähnliches gilt von den anderen deutschen territorialen
Mittelstaaten ®. Es gibt eben eine Epoche der Entwicklung
des Groß- und Mittelstaates auf der Grundlage der Ver-
bindung ehemals getrennter ständischerTerri-
torien, wo es kein weitergehendes Kriterium des monarchischen
staatlichen Einzelwesens gibt als Einheitlichkeit der monar-
chischen über ein bestimmtes Gebiet in bestimmten Belangen
geübten, durch Organisationsakte des Monarchen geschaffenen
Gewalt, mag immerhin diese Gewalt aus einem vielfach ver-
schlungenen Wurzelgeflecht von Rechtsgründen oder Rechtstiteln
emporsprießen. Was uns in soleher Form entgegentritt, ist kein
völkerrechtliches Gebilde, sondern eine einzige Monarchie
auf einer bestimmten niederen Entwicklungsstufe, eine Ge-
samtmonarchie, weıl staatsrechtlich noch die Territorien scheidbar
sind, aus denen sie hervorgegangen und die Elemente, durch deren
Verschmelzung die monarchische Gewalt, so weit sie reicht, ent-
standen ist. Daß diese Gewalt nicht universell ist, scheidet das Ge-
bilde von dem zeitgenössischen, monarchischen Einheitsstaat, wie z.B.
von Frankreich und England. Daß sie sich auf dem Gebiet der
Gesetzgebung, der inneren Verwaltung und der Heereslasten wieder
territorial als monarchische Territorialgewalt differenziert, nähert
diese Bildung dem modernen Bundesstaate und bereitet andererseits
das Provinzialsystem und die Provinzialisierung der Ter-
ritorien vor. Daß die einheitliche monarchische Gewalt sich zunächst
auf dem Gebiete des zwischenstaatlichen Verkehrs, des Heeres-
befehls, der finanziellen Fundierung der Verteidigung und in der
Bildung von Kronräten betätigt, an denen die Länderkanzler als
Provinzialreferenten teilnahmen, entspricht dem natürlichen bei
© Republik und Monarchie 1892.
9 *