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des Mangels der Fähigkeit der Magyaren meist deutschen Städte
forsetzte. Ständische Verfassung ist aber immer in dem Sinne feu-
daleoder patrimoniale Verfassung, als ständisches Recht
so viel bedeutet wie Anteil der Volksminderheit an der
Herrschaft über die große Masse des Volks, über die von WERBÖCZ
in seinem Tripartitum juris inclyti Regni Hungariae nach dem
Vorbilde der Ulpian-Stelle in Inst. 1.2. $ 4 konstruierte PLEBS®*
zu eigenem Rechte oder, wenn man es modern ausdrücken will,
Miteigentum am Staate®. Gerade aber wegen des Ent-
wieklungshemmnisses, welches dieses Vorrecht am Staate der
Entfaltung der universalen Mission des Königtums
bereitet, führt dies Miteigentum der allein berechtigten Gruppen
zu einem gefährlichen Gegensatze der mächtigen Großen des Reichs
ganz besonders zu der größten Herrscherpersönlichkeit Un-
garns nach König Stefan, zu Mathias Corvinus, welcher Gegen-
satz sich nach dem Tode dieses gewaltigen Organisators in der
rücksichtslosen Entfesselung der Adelsherrschaft bekundete und
zur Vernichtung des Charakters Ungarns als eines für sich be-
stehenden, auf sich gestellten und in diesem Sinne unabhängigen
Reiches °° führte.
In trefflicher Weise führt STEINACKER®? die überaus naive
auf WERBÖCZ zurückreichende und die Schriftsätze des ungari-
schen Landtags in der Zeit von 1861—1869 durchdringende Apo-
logetik von der Priorität der Magyaren in der Grundlegung ihres
Gemeinwesens mittels der Ideen des modernen Staates (!) durch
64 STEINACKER a. a. O. S. 308. TEZNER, Der österreichische Kaiser-
titel S. 12. Derselbe, Res hungaricae in GRÜNHUTs Zeitschrift 38. Bd.
S. 514 A. 18, LuscHin a. a. O. S. 205 f., 207.
65 TsZNER, Technik und Geist des ständischen monarchischen Staats-
rechts (1901) S. 60, 74. Derselbe, Die Volksvertretung (1912) S. 724 ff.,
727 f.
66 TEZNER, Apponyis Gegenbeweise gegen die Realität der österreichi-
schen Gesamtstaatsidee, 29. Bd. der Oesterreichischen Rundschau S. 361 f.
433.
e A.a. 0. 8. 31l.