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soluten Preußen ohne weiteres in den konstitutionellen Staat
hinübergenommen hat?. Der Urfehler lag also weit zurück, und
es hätte deshalb doppelter Einsicht, doppelter Ruhe und des dop-
pelten Maßes an gutem Willen bedurft, um diesen alten Fehler
wieder gut zu machen und eine Verständigung auf neuer Grund-
lage zu erzielen. Es sollte anders kommen. Die auseinander-
gehenden rechtlichen Auffassungen traten im weiteren Verlauf des
Konflikts mehr und mehr zurück, und es bot dieser schließlich
nicht mehr den Anblick eines Verständigungsverfahrens über die
Heeresorganisation, sondern eines mit äußerster Schärfe geführten
Kampfes um das vom Parlament gefährdet geglaubte Budgetrecht.
Die einzelnen unerfreulichen Phasen des Konflikts sind für uns
unerheblich. Es ist während der auf 1862 folgenden vier Jahre
nie ein Etatgesetz zustande gekommen, ebenso wurde vom Ab-
geordnetenhaus nie der viermal von der Regierung eingebrachte
Entwurf auf Abänderung des Gesetzes vom 3. September 1814 er-
ledigt. Mit den Tagen von Gitschin und Königsgrätz fand der
Konflikt seine faktische, mit dem Indemnitätsgesetz vom 14. Sep-
tember 1866 seine gesetzliche Beendigung. Das vom Abgeord-
netenhaus als Kampfmittel in ausgiebigster Weise benutzte Aus-
gabebewilligungsrecht wurde ausdrücklich anerkannt, die Ursache
des Konflikts, die Disharmonie der Ansichten über die rechtliche
Grundlage der bestehenden Heeresorganisation blieb, weil im Ver-
lauf des Konflikts vom Kampfplatz verdrängt, ungelöst.
Das war die Situation, welche bei der kurze Zeit darauf voll-
zogenen Gründung des Norddeutschen Bundes vorlag. Es erhellt
auf den ersten Blick, daß sie sich bei der Aufstellung der Ver-
fassungsbestimmungen über das Heerwesen in einer der Sache
selbst nicht gerade förderlichen Weise bemerkbar machen mußte.
® „Die Rechtsfrage in dem Preußischen Verfassungskonflikt 1862 bis
1866“ hat GNEIST zum Gegenstand einer interessanten, freilich mehr poli-
tischen als staatsrechtlichen Erörterung gemacht. Vergl. GnkIsST, Gesetz
und Budget, 9. 222.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXX. 1/2. 11