— 168 —
organisationsbestimmungen zu verzichten. Es sind deshalb die
betreffenden Artikel der Norddeutschen Verfassung in die des
Deutschen Reichs vom 16. April 1871 übergegangen.
Handhabung der Verfassungsbestimmungen.
Die im ersten Teile des Art. 60 getroffene Feststellung der
Präsenz würde mit dem 31. Dezember 1871 ihre rechtliche Gültig-
keit verloren haben. Bei Bestimmung dieses Termins war man
im Jahre 1867 von der Annahme ausgegangen, daß nach 4 Jahren
die Verhältnisse zu einer nicht nur interimistischen Festsetzung
günstiger sein würden. In dieser Erwartung wurde man jedoch
insofern getäuscht, als der Krieg von 1870 für die Heeresangelegen-
heiten eine im wesentlichen gleichgeartete außer- und innerpoli-
tische Lage geschaffen hatte, wie der von 1866. In Erkenntnis
dieser Tatsache verlangte die Regierung beim Herannahen des
Enndtermins der in Art. 60 gesetzten Frist, im November 1871,
die Prolongation des Interimistikums auf ein Jahr. Gleichzeitig
deutete sie dabei an, daß sie nach Ablauf dieser verlängerten Frist
mit dem eisernen Betrag von 225 Talern pro Kopf weiterhin
nicht ausreichen würde. Diese letzte Eventualität zu verhindern,
wurde im Reichstage durch mehrere Anträge versucht. Der vom
Abgeordneten Grafen BETHUSY-HUC ausgehende Gedanke, durch
Verlängerung des Interimistikums auf drei Jahre unter den bis-
herigen Bedingungen eine Erhöhung der Ausgabensummen für das
Heer zunächst hintan zu halten, fand infolge der in ihm für die
Regierung enthaltenen. größeren zeitlichen Garantien deren Beach-
tung, die sich zum alsbaldigen Einbringen eines entsprechenden
Gesetzentwurfs verdichtete. Da dieselben Bedingungen, die seiner-
zeit bei der Annahme des Art. 60 gegeben waren, auch damals
wieder vorlagen, und man auch jetzt noch auf allen Seiten in
lebhafter Erinnerung an den unseligen Konflikt lebte, nahm man
den Regierungsentwurf an. So entstand das Gesetz, betreffend die
Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres und die Ausgaben für