Das deutsche Reĩch nud seine einzelnen Glieder. (Dez. 13) 163
1. Dezember. (Deutsches Reich.) Das neue Krankenkassen-
gesetz tritt mit diesem Tage wenigstens in seinen vorbereitenden Be-
stimmungen in Wirksamkeit; dieselben betreffen die Beschlußfassung
über die statutarische Einführung des Versicherungszwanges und die
Herstellung der dazu notwendigen Einrichtungen. Trotz der Ein-
führung des Versicherungszwanges sind die freien Kassen, wie sie
bisher bestanden, nicht beseitigt: den Arbeitern steht die Wahl frei,
ob sie in diese oder in die obrigkeitlichen und Fabrikkrankenkassen
eintreten wollen. Daß die freien Kassen auch in materieller Be-
ziehung Garantien für eine zweckmäßige und prompte Erfüllung
ihrer Aufgaben bieten müssen, dafür hat das Gesetz gesorgt.
1. Dezember. (Preußen.) Die Regierung hält es doch für
angemessen, in der Budgetkommission des Abg.-Hauses ausdrücklich
erklären zu lassen, daß sie trotz des vorjährigen Mißerfolges an
dem damaligen Standpunkt ihrer Kanalvorlage festhalte, und daß
sie darin auch durch die aus den Interessenkreisen hervorgetretene
Agitation gegen Kanäle und zu Gunsten einer ausschließlichen För-
derung des Eisenbahnbaues nicht wankend geworden sei. Eine neue
Vorlage erfolgt indes zunächst nicht.
3. Dezember. (Preußen.) Der Kaiser und König begnadigt
den vom kirchlichen Gerichtshof f. Z. abgesetzten Bischof Blum von
Limburg, wie es scheint, bedingungslos. Eine Art Vereinbarung
über gewisse Punkte dürfte der Maßregel indes doch vorausgegangen
sein. Der Bischof hat die ganzen 7 Jahre seines „Exils“ im Schlosse
Haid bei Mies in Böhmen, einer Vesitzung des Fürsten Karl zu
Löwenstein, zugebracht. Am 17. d. M. trifft er wieder in seiner
Diözese ein und wird mit Freudenbezeugungen, aber ohne unge-
hörige Demonstrationen, seitens seiner Diözesanen und der ultra-
montanen Partei empfangen.
3. Dezember. (Elsaß-Lothringen.) Durch landesherrliche
Verordnung des Statthalters wird ein am 15. November von dem
Bezirkstag des Ober-Elsaß gefaßter Beschluß, durch welchen der
Wunsch ausgesprochen wurde, daß bei den Verhandlungen des Landes-
ausschusses die französische Sprache zugelassen werde, als die gesetz-
lichen Befugnisse der Bezirksvertretung überschreitend für nichtig
erklärt. — Gleichzeitig macht der sog. „Fall Mang“ im Elsaß und
in der öffentlichen Meinung Deutschlands großes Aufsehen.
Schon längst war im Elsaß vielfach darüber geklagt worden, daß
durch das Bestreben des Statthalters, die Sympathien der sog. Rotabeln zu
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