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wenigstens das Versprechen des Erlasses eines derartigen Gesetzes
inden Verfassungstext aufzunehmen. Dieses Verfassungs-
versprechen ’” muß erfüllt werden, wie jede andere Verfassungs-
bestimmung, und wenn die gesetzgebenden Faktoren die Erfüllung
für unzweckmäßig halten, so müssen sie die Verfassung ändern,
d. h. sie müssen die betr. Bestimmung im Wege der Ver-
fassungsänderung aufheben.
Vielleicht könnte man die Behauptung verfechten, daß die
Regierung sich nur dann in Widerspruch mit der Verfassung
setzt, wenn sie trotz eines dahingehenden Antrags einer
Kammer den verlangten Gesetzentwurf nicht einbringt; und es
würde bei Zugrundelegung dieser Ansicht der tatsächlich be-
stehende Zustand allerdings rechtlich durchaus haltbar sein.
Trotzdem scheint mir eine derartige Auslegung zu weit zu gehen,
denn sie gibt der Verfassung einen Sinn, dem diese, wenn
sie ihn wirklich gewollt haben würde, ohne Schwierigkeit hätte
Ausdruck verleihen können.
Selbstverständlich ist die Verfassungsverletzung, wenn ich
so sagen darf, eine besonders schwere, wenn die Regierung auch
dem Antrag einer Kammer in der betr. Sache keine Folge gibt,
oder wenn eine der Kammern den Gesetzesentwurf ohne Einzel-
beratung rundweg ablehnt. Um eine Mißachtung der Verfassung
handelt es sich aber m. E. in jedem Falle.
In analoger Weise dürften Gesetzesankündigungen der Reichs-
verfassung zu behandeln sein. So wie es in Preußen die Pflicht
der Staatsregierung ist, für das Zustandekommen der in der Ver-
fassung in Aussicht gestellten Gesetze zu sorgen, so ist es im
Reiche Sache des Reichskanzlers, die Ausführung der Reichsver-
fassung zu überwachen ®. Er hat also die erforderlichen Gesetz-
entwürfe einzubringen, und die Bundesregierungen haben, ebenso
Tv, RONNE, Staatsrecht 4. Aufl. Bd. 1 S. 297 spricht von „Gewähr-
leistung“ des Ministeranklagerechts durch die Verfassung.
° Vgl. hierzu Art. 17 der Reichsverfassung.