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deren nicht versagen darf (vgl. v. LiszT, 6. Aufl. S. 330). Die
Uebernahme der Pflege und Heilung von Verwundeten seitens
einer neutralen Macht involviert jedoch meines Erachtens nicht
die Parteinahme für einen der Kriegführenden; denn darunter ist
die Bestrebung und das Unternehmen zu verstehen, die Kraft
einer kriegführenden Macht zu stärken zu dem Zwecke, ihr die
Ueberwindung des Gegners zu erleichtern. Die Entsendung von
Aerzten und Lieferung von Heilstoffen hat aber, wie gesagt, einen
anderen Zweck. Deswegen findet der zitierte allgemeine völker-
rechtliche Grundsatz darauf keine Anwendung.
Wenn nun v. ULLMANN, Völkerrecht, 1908 S. 521 aber ganz
speziell behauptet, bei der Hilfeleistung an einzelne Verwundete
gelte gleichzeitig der Grundsatz, daß dem einen nicht versagt
werden darf, was dem anderen gewährt würde, halte ich diese
Ansicht für unzutreffend.. Aus welcher Bestimmung des Völker-
rechts soll eine solche Verpflichtung der neutralen Macht folgen?
Einen Neutralitätsbruch bedeutet die Hilfeleistung an Verwundete
nicht. Die für die Frage in Betracht kommende II. Genfer Kon-
vention vom 6. Juli 1906 bestimmt in Art. 1, daß verwundete und
kranke Militärpersonen „ohne Unterschied der Staatsangehörigkeit
von der Kriegspartei, in deren Händen sie sich befinden, geachtet
und versorgt werden“ sollen, und die I. Genfer Konvention vom
22. August 1864 sagt in Art. 6 Abs. 1, daß „die verwundeten
oder kranken Militärs ohne Unterschied der Nationalität aufge-
nommen und verpflegt werden“ sollen. Damit ist — ın der
II. Konvention sogar ausdrücklich — nur gesagt, daß der
Kriegführende die Pflicht hat, auch die verwundeten Gegner
zu pflegen und zu heilen, aber auch nur der Kriegführende;
von dieser Pflicht eines Neutralen, der sich um die Heilung
der Verwundeten einer kriegführenden Macht bemüht, ist
weder in einer der beiden Genfer Konventionen, noch sonst
in einem anderen Vertrage die Rede. Von einer Ausdehnung
der bezeichneten Vorschriften auf die Neutralen kann aber nach
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