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die Menge über einen besonderen Fall, der eben durch seine
Einzelnheit den Empfindungen in unmittelbarer Nähe liegt, über
eine Tatsache, die, aus Leidenschaft erzeugt, selbst wieder Leiden-
schaft gebiert, über einen Menschen, der da leibhaft als Gegen-
stand des Mitleids oder des Hasses, der Volksgunst oder der
Volksrache vor allen Augen steht; — daß sie darüber unpar-
teiisch, wahr und gerecht urteile, dieses ist so wenig zu er-
warten, als von dem Trunkenen die Besonnenheit zu erwarten ist,
oder von dem Törichten eine vernünftige Rede.“ Freilich ist auch
bei den ausgewählten Volksriehtern volle Unparteilichkeit nicht
zu finden. Die politischen Parteiansichten werden auch sie auf
ihrem Stuhle nicht verlassen und sie werden ihren Spruch darnach
einrichten, wie es dem souveränen Volke oder der gerade herrschen-
den Klasse gefällt.
Es ist nur natürlich, daß der politische Abschnitt des Buches
für unsere Tage einen geringeren Wert hat. Er ist befangen in
dem Kreise, der durch die damals herrschende politische Einsieht
und die Zeitumstände begrenzt ist. Dennoch finden sich auch
hier überaus feinsinnige Bemerkungen, besonders über die Frage
der Pairschaft oder Standesgleichheit der Geschworenen, die in
der englischen Theorie und Praxis eine gewisse Rolle spielte.
Wollte man, so meint FEUERBACH, die Standesgleichheit wirklich
durchführen, so müßten nicht nur der Adlige, der Bürgerliche,
der Bauer, der Kaufmann, der Stadt- und Landbewohner von ıhres-
gleichen gerichtet werden. Es wären auch noch die anderen
unendlich verzweigten Feinheiten der Abstufung zu berücksich-
tigen; Religion, alter und junger Adel und anderes mehr. Die
voll anerkannte Ebenbürtigkeit würde aber auch den Keim der
Ungerechtigkeit in sich tragen. „Die menschliche Eigenliebe hat
überall ihre Aeste hin verbreitet. Wo der Mensch in dem Anderen
auch nur einen kleinen Teil seines eigenen Ichs wiederfindet —
und sein Stand ist eben nicht dessen kleinster Teil —, da wendet
sich seine Vorliebe begünstigend hin, wie zu einem Spiegel, der