Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

Quellen der Ueberzeugung kommt es dem Gesetzgeber nicht an. 
Mögen sie noch so trübe sein, mögen die Geschworenen noch so 
leichtgläubig auf das Unbedeutendste Wert legen, das macht nichts. 
Hierin liegt die große Gefahr des Jurygedankens. Die lebendigste 
und innigste Ueberzeugung ist keine Bürgschaft für ihre Wahr- 
heit und Richtigkeit. „Die Wahrheit liegt in der Sache, die Ueber- 
zeugung im Menschen, der oft, was nicht ist, sieht, und nicht 
sieht, was ist, und sich nur zu oft an den Irrtum fester an- 
hängt, als an die Wahrheit.“ Dem Irrtum wird freier Spielraum 
gelassen; die Alltagserfahrungen reichen nieht aus, sie genügen 
nieht für die außerordentlichen, großen und bedeutenden Begeben- 
heiten, mit denen es die Geschworenen zu tun haben. „Wenn hier 
der Mensch nur nach dem Maße der dürftigen Erfahrung seines 
eigenen beschränkten Bürgerlebens mißt, welche falsche Rech- 
nungen, wie viele Irrtümer, wie viele Ungerechtigkeiten.* 
Der gesunde Menschenverstand urteilt nur nach Gefühlen und 
dunklen Erwägungen ; der wissenschaftlich gebildete Verstand 
urteilt bedächtiger und sicherer. „Erhebt Ihr daher den bloß 
gemeinen Verstand auf den Richterstuhl, so können sieh in das 
Gemüt dieses Richters Vorurteile, Einbildungen, gewagte Hypo- 
thesen, leere Mutmaßungen einschleichen, die in seinem Kopfe 
ganz wie die Wahrheit aussehen und ihm eine Ueberzeugung 
aufdringen, welche er als Torheit verabscheuen würde, wenn er 
gelernt hätte und geübt wäre, nach Begriffen zu unterscheiden, 
nach Grundsätzen zu vergleichen“. Gerade beim mündlichen und 
unmittelbaren Verfahren sind es die sinnlichen Eindrücke, die 
häufig von den Volksrichtern begierig aufgenommen werden und 
ihr Urteil verfälschen, eine Gefahr, die dem Berufsrichter in dem 
—- zu FEUERBACHs Zeiten — schriftlichen Prozesse nicht drohte. 
Eingehende Erörterungen werden der unseligen Trennung von 
Tat- und Rechtsfrage gewidmet, die in der französischen Theorie 
vorherrschte und die nach dem Urteil vieler Zeitgenossen einer der 
schwerwiegendsten Fehler der französischen Jury war. Bekannt-
	        
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