— 223 —
lich wollte man in mißverstandener Anlehnung an das englische
Vorbild den Geschworenen nur die reine Tatfrage zur Beant-
wortung vorlegen, mit Ausschluß aller Rechtsfragen. Unter dieser
reinen Tatfrage aber verstand man vielfach lediglich die Frage,
ob ein historischer Vorgang sich so abgespielt habe, wie es die
Anklage darstelle. Alles weitere, ob der Angeklagte mit oder
ohne Ueberlegung und Vorsatz, bei gesunden Sinnen oder bewußt-
los gehandelt habe, sowie ferner die Frage, unter welches Straf-
gesetz die Tat zu subsumieren sei, alles das galt als Rechtsfrage
und wurde den Geschworenen entzogen. Die Folge war eine
heillose Verwirrung. Auch hier hat FEUERBACH in musterhafter
Weise Klarheit geschaffen und das Problem, das freilich für uns
kaum noch eines ist, mit großem Scharfsinn gelöst. Zur Anwen-
dung des Strafgesetzes auf einen bestimmten Fall, so sagt er, ist
die Beantwortung zweier Fragen nötig. Die erste Frage lautet:
Schuldig oder Nichtschuldig? Die zweite: Wie ist zu strafen?
Die zweite Frage ist reine Rechtsfrage, die erste aber nicht reine
Tatfrage, sondern zusammengesetzt aus zwei Bestandteilen: der
Frage nach der — historischen — Richtigkeit eines angeblichen
Vorfalls und der Frage, ob und nach welchem Gesetze dieser
Vorfall strafbar ist. Nur der erste dieser beiden Bestandteile
stellt die reine Tatfrage dar, der zweite eine Rechtsfrage. Beide
zusammen bilden die Schuldfrage und diese muß immer der ein-
heitlichen Beurteilung durch die Geschworenen unterliegen, wenn
man die Jury nicht zu einem lächerlichen und leeren Formelspiele
machen will.
Alles das ist grundsätzlich von geringerer Bedeutung für unsere
Zeit, welche die scharfe Trennung des historischen Teiles der
Schuldfrage von deren rechtlichem Teile längst verworfen hat.
Und doch sind wieder sehr lehrreich die Betrachtungen, die
FEUERBACH an den neu gewonnenen Begriff der Schuldfrage knüpft.
Wenn wir daran festhalten, daß die Tatfrage — im Sinne
von Schuldfrage — sich zusammensetzt aus historischen und juri-