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sie müßten Punkt für Punkt richtiggestellt und geläutert und geklärt werden.
II. Diese Kritik der Methode ROTHENBÜCHERs habe ich vorangestellt,
weil es mir scheint, daß es an dieser Stelle bei einem Buch, in dem der
Autor sich als Staatsrechtslehrer wissenschaftlich einführen will, das wich-
tigste ist zu prüfen, ob er die juristische und speziell die staatsrechtliche
Literatur bereichert hat; dann auch, weil ich mit meiner Besprechung ganz
allgemein davor warnen möchte, staatsrechtliche Probleme ohne gehörige
praktische Erfahrung anzugreifen. Wenn irgendwo, so ist es im Staatsrecht
notwendig, daß zu dem Fleiß und dem Verstand besondere fachliche Lebens-
erfahrung hinzukommt; denn in keiner anderen Disziplin wird man so
leicht verlockt, sich dem Verstand allein anzuvertrauen und nirgends ist
es so gefährlich wie hier, sich auf eine These festzulegen, die einem die
eigene Lebenserfahruung später widerlegt; und es ist doch wohl besser, auf
harmlose unauffällige, als auf imponierende aber verfehlte Jugendarbeit
zurückzublicken. Von der Methode und der dogmatischen Verarbeitung
abgesehen, bringt ROTHENBUCHERs Buch manches nützliche Material.
Die historische Einleitung (S. 1 bis 112) zeigt ein Streben nach Tole-
ranz und gerechter Würdigung des Gegners, das alle Anerkennung verdient.
Sie bringt weniger eine Aufführung historischen Materials, als zusammen-
fassende Bemerkungen, Ueberlegungen und Urteile. Mir ist die m. E. nach
Inhalt und Stil ausgezeichnete Darstellung GEFFCKENs (Staat und Kirche)
und manche andere lieber. Aber Katholiken werden möglicherweise die
Auffassung ROTHENBÜCHERs vorziehen. Er macht da sehr treffende Be-
merkungen, z. B. S. 14 über Widersprüche in den Schriften Luthers. Dem
dogmatischen Ausgangspunkt entsprechend kann allerdings auch hier nicht
alles allgemeine Zustimmung beanspruchen. Das Wort Kirche wird auch
hier in verschiedenem Sinne verwendet, was zu Urteilen führt, die einzeln
genommen unverständlich sind und sich nicht halten lassen; z. B. wo vom
Kirchenbegriff der lutherischen Konfession die Rede ist; oder bei der Kri-
tik der protestantischen Staatskirche (S. 45), die ROTHENBÜCHER viel zu
schroff als eine Unterdrückerin hinstellt. Die Forderungen des Rationalis-
mus sind nicht genügend berücksichtigt; das Programm des Pietismus
scheint ROTHENRÜCHER gar nicht zu kennen — wie die irrigen Bemer-
"kungen S. 84 oben zeigen. Es hätte m. F. leicht schärfer getrennt werden
können zwischen Aeußerungen über die politische Möglichkeit einer Tren-
nung von Staat und Kirche, die von autoritativer Seite ausgehen oder ge-
dacht sind als Vorschläge zu einer staatlichen Ordnung des Problems, und
den Aeußerungen, in denen oppositionelle Forderungen größerer Kreise oder
gar einer ganzen Geistesströmung zum Wort kommen. Die kritischen und
emanzipationslustigen Regungen innerhalb der katholischen Bevölkerung
und auch die wechselnden Auffassungen der katholischen Regierungen sind
fast ganz ausgelassen; die Altkatholiken und protestantischen Sekten mit
festem Trennungsprogramm nicht erwähnt. Ueberhaupt ist die Auswahl