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Festschrift der Berliner juristischen Fakultät für Ferdinand von Mar-
titz zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum am 24. Juli 1911. Ber-
lin 1911. Verlag von Otto Liebmann, 14,50 Mk., geb. 17.— Mk.
Aus dem reichen Inhalt dieser schönen Festschrift bieten für die Leser
des Archivs folgende Abhandlungen Interesse.
Zunächst eine Studie von Kıpe „Ueber Doppelwirkungenim
Recht, insbesondere über dieKonkurrenzvon Nichtig-
keit und Anfechtbarkeit“. Sie ist zwar vorwiegend privatrecht-
lich, berührt aber ein jedenfalls theoretisch interessantes und praktisch
wenigstens nicht gänzlich bedeutungsloses Problem der allgemeinen Rechts-
lehre.
Zur Klarstellung dieses Problems folgendes: Jeder Jurist ist davon über-
zeugt, daß es bloß Bildersprache ist, wenn wir von Entstehen, Sichverändern,
Untergehen, Erlöschen von Rechten und Rechtsverhältnissen, Rechtsüber-
tragung usw. sprechen; „aber — wendet Verfasser S. 212 ein — unsere
juristischen Argumentationen sind, wie mir scheint, noch nicht genug von
dieser Erkenntnis durchdrungen ; es begegnet uns noch zu oft, die körper-
liche Auffassung von Rechten und Rechtswirkungen für mehr als ein Bild,
für eine Wahrheit zu nehmen und daraus Schlußfolgerungen zu ziehen, die
der inneren Berechtigung entbehren und sich vermeiden lassen, wenn man
von jener körperlichen Auffassung sich lossagt.* Dies sucht er dann an
einer Reihe von privatrechtlichen Beispielen zu zeigen, indem er den prin-
zipiellen Unterschied seiner eigenen von der bekämpften „naturwissenschaft-
lichen Auffassung der Rechtsfolgen“ S. 220 dahin präzisiert: „Nach der na-
turwissenschaftlichen Auffassung der Rechtswirkungen ist es folgerichtig
zu sagen, daß ein entstandenes Recht nicht zum zweiten Male entstehen,
so wenig wie ein brennendes Licht angezündet werden kann. Ein er-
loschenes Recht kann nicht zum zweiten Male zum Erlöschen gebracht,
oder mit einem andern Bilde, ein untergegangenes nicht zum zweiten Male
zerstört werden, so wenig wie ein am Meeresboden liegendes Schiff unter-
gehen oder ein Toter getötet werden kann. Von unserm Standpunkt aus
ist gegen doppelte Begründung derselben Rechtsfolge deshalb nichts ein-
zuwenden, weil es gar keine Bedenken hat, daß zwei Gründe desselben
Rechtsgebotes konkurrieren.“ Von diesem Standpunkt aus erklärt er z. B.
nicht nur, insofern in Uebereinstimmung mit der herrschenden Meinung,
für möglich, daß „mehrere Verpflichtungen zu einer und derselben
Leistung nach einander begründet werden“ (S. 221), sondern auch, im
Gegensatz zu ihr und ihr einen inneren Widerspruch vorwerfend, daß
jemand, der bereits Eigentümer (etwa durch Einigung und Ueber-
gabe von dem bisherigen Eigentümer) geworden ist, es danach nochmals
durch Ersitzung wird (8. 221, 222); und einen gleichen, Widerspruch der
herrschenden Meinung glaubt er S. 224 darin feststellen zu können, daß
sie einerseits anerkennt, ein und dasselbe Rechtsgeschäft könne aus zwei