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der Buchstabentreue die (rerechtigkeitstreue vorzuziehen und so das lebendige
Recht fortzubilden, wie es das Leben verlangt.
Es ist nicht möglich, den überreichen Inhalt, der noch unter den Schlag-
worten: Arten des Rechts, — Recht, Sittlichkeit und Sitte, — objektives,
subjektives Recht und Rechtsbesitz, — Zwang im Recht, — Gerechtigkeit und
Zweckmäßigkeit im Recht, — räumliche und zeitliche Geltung der Rechte, —
Einteilung der Rechtssätze, — Auslegung des Rechts, — Rechtssubjekte und
Rechtsobjekte, — Rechtsschutz — in diesem Werke zur Darstellung
gelangt, auch nur andeutungsweise kurz wiederzugeben ; wer immer sich
die Mühe nimmt, das Werk durchzulesen, wird diese Arbeit nicht bereuen.
Nur ein Punkt soll noch hervorgehoben werden, nämlich die Ansicht, die
der Verfasser über die Richtung der subjektiven öffentlichen
Rechte und insbesondere des Rechtsschutzanspruchs (Seite 154—163)
äußert. Darnach kann das subjektive Öffentliche Recht nicht gegen den
Staat unmittelbar, sondern immer nur gegen die Organe des Staates ge-
richtet sein. Verweigert also eine untere Instanz die Respektierung
eines subjektiven Öffentlichen Rechts, so verweigert sie keinesfalls der
Staat, der ja dem Berechtigten noch andere Instanzen offenhält, um sein
Recht durchzusetzen.
Die Fragen, die in diesem Werke behandelt sind, erscheinen in einem
neuen Lichte, weil sich der Verfasser bemüht, sie auf Grund des lebendigen
Rechts zu lösen und weil er zu diesem Zwecke nicht nur seine eigene
reiche Lebenserfahrung, sondern auch die einschlägigen gerichtlichen Ent-
scheidungen heranzieht.
Es ist wohl richtig, daß das Werk bei dem Leser sehr viel als bekannt
voraussetzt, und daß es daher für die Einführung eines Anfängers in das
Studium des Rechts schwerlich geeignet sein wird. Indessen soll in dieser
Beziehung nicht abgesprochen werden; denn auch hier gilt der Satz: „Pro-
bieren geht über Studieren.“ Gewiß ist aber, daß das Werk nicht nur für
den Lehrer, sondern auch für den vorgeschrittenen Studierenden eine Fülle
von Anregungen bietet, daß es einen dankenswerten Fortschritt nach der
gesamtrechtlichen Richtung hin bildet und daß sein Ruf nach einer
induktiven Umgestaltung der Rechtslehre nicht ungehört verhallen kann.
Dr. Max, Schuster-Bonnott.
Dr. jur. et. phil. Magnus Biermer, ordtl. Prof. d. Staatswiss. an der
Universität Gießen. Die hessische Eisenbahnfrage; — Der Staats-
rentenmarkt und die Sparkassen; — Teuerung und Geldwert. Verlag
von Emil Roth in Gießen 1912. 79 Seiten.
Die erste der drei Abhandlungen befaßt sich mit der für Hessen
wichtigen Frage der Revision des bestehenden vertragsmäßigen Gemein-
schaftsverhältnisses mit Preußen wegen der staatlichen Eisenbahnen. Es wird
darin festgestellt, daß die durchschnittliche Rente der hessischen Bahnen
Archiv des öffentlichen Rechts. XXX. 1/2. 19