Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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tät der Staaten nicht in Widerspruch; sie verpflichtet zum Schiedsgericht, 
jedoch nur im Rahmen der sog. Ehrenklausel. In dieser findet die Souveräni- 
tät des Staates auch gegenüber der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit 
den schärfsten Ausdruck. Ob ausgesprochen oder nicht, ist die Ehrenklausel 
stets immanenter Bestandteil der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit; 
es kann gar kein Obligatorium geben, das stark genug wäre, die Ehren- 
klausel auszuscheiden. Wertlos ist der Gedanke der obligatorischen Schieds- 
gerichtsbarkeit darum doch nicht. Es ist etwas Großes und Wertvolles, 
wenn die Staaten in der bindenden Form des Staatsvertrags sich gegen- 
seitig das feierliche Versprechen abgeben, daß sie es als ihre Rechtspflicht 
anerkennen, Streitfälle auf dem friedlichen Wege des Schiedsgerichts aus- 
tragen zu wollen, es sei denn, daß Ehre und Lebensinteressen des Staates, 
also die obersten Gesetze seines Daseins, dies ausschließen. Auch unser 
Deutsches Reich hat keine Veranlassung, dieser obligatorischen Schieds- 
gerichtsbarkeit dauernden Widerstand entgegenzusetzen. — Das im Jabre 
1899 geschaffene und in seiner Einrichtung den deutschen Forderungen 
gemäß gestaltete Werk hat sich vollkommen bewährt und war von segens- 
reichster Wirkung für die Welt. Statt der Liste von 1899 oder neben ihr 
einen wirklich ständigen Schiedsgerichtshof zu errichten, besteht nicht das 
mindeste Bedürfnis; es wäre geradezu leichtfertig, an den bewährten Ein- 
richtungen von 1899 ohne zwingenden Grund etwas zu ändern. Nur in 
einem Punkte gehe man weiter: die Zeit scheint nicht mehr fern zu sein, 
da die Staaten genötigt sein werden, für die wichtigen und schwierigen 
Fragen des internationalen Privatrechts einen internationalen Gerichtshof 
zu schaffen; er würde einem allgemeinen Verkehrsbedürfnis entsprechen. 
Im übrigen aber soll man die Einrichtungen von 1899 sich weiter ent- 
wickeln lassen zum Heile der Menschheit. — 
In seinem auf der Tagung der Interparlamentarischen Union im Sep- 
tember 1912 zu Genf erstatteten Referat hat ZoRN seine Forderung eines 
internationalen Gerichtshofs für die Fragen des internationalen Privat- 
rechts genauer formuliert: er soll ins Leben gerufen werden besonders 
für reine Geldforderungen sowie die Fragen des Personen- und Familien- 
rechts, namentlich der Staatsangehörigkeit und des Eherechts; hierher ge- 
hören auch die komplizierten Streitfragen des Urheberrechtes, der Pa- 
tente, des Markenschutzes sowie des internationalen Wechselrechtes. Auch 
ein internationaler Gerichtshof für internationales Privatrecht wird in seinem 
Grundcharakter nichts anderes sein können als ein Schiedsgericht; er wird 
sich aber in seiner Zusammensetzung, den Formen seines Verfahrens, 
seiner Rechtsprechung und zuletzt auch in der Frage des Vollzuges seiner 
Sprüche viel mehr den Regeln für die ordentliche nationale Gerichtsbarkeit 
anschließen können und müssen als der bestehende internationale Schieds- 
hof für öffentliches Recht. 
Dem Satz, daß die Ehrenklausel, ob ausgesprochen oder nicht, jedem
	        
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