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gehörige der Vereinigten Staaten wäre. England stützte sich auf den Wort-
laut des Vertrages von 1818, der das Fischereirecht nur den „habitants“
der Vereinigten Staaten zugestand. Das Schiedsgericht hat sich dieser
Auffassung nicht angeschlossen und ausgeführt, das Fischereirecht sei ein
ökonomisches Recht und dieses schließe auf jeden Fall die Befugnis in
sich, Bedienstete zu verwenden; durch den Vertrag sei aber der Gebrauch
von Dienern nicht auf Personen mit bestimmter Nationalität oder mit be-
stimmtem Wohnsitze beschränkt worden. Das Schiedsgericht betonte
gleichzeitig, daß den Nichtbewohnern der Vereinigten Staaten durch den
Vertrag im übrigen keine Rechte eingeräumt seien.
Die dritte und vierte Frage, die das Schiedsgericht zu beantworten
hatte, lauteten dahin, ob die amerikanischen Schiffe, die von dem ihnen
durch den Vertrag eingeräumten Fischereirechte Gebrauch machten oder
in den Häfen, Buchten usw., zur Ausbesserung von Havarieen, zum An-
kaufe von Holz usw. Zuflucht nehmen, ohne Zustimmung der Vereinigten
Staaten den Zollförmlichkeiten, Häfen- und Leuchtturmabgaben oder ähn-
lichen Bedingungen unterworfen werden dürften. Auch hier hat das Schieds-
gericht den amerikanischen Standpunkt anerkannt.
Die fünfte Frage, die ebenso wie die erste äußerst wichtig war, lautete,
von wo ab die Küstengewässer in den sogenannten „Bais* gerechnet wer-
den sollten. Im allgemeinen hat sich im Völkerrechte der Grundsatz ein-
gebürgert, daß solche Bais, deren Eingang weniger als 10 Seemeilen breit
ist, zum Territorialmeer zälılen, daß sich dagegen bei den anderen Bais,
deren Eingang breiter als 10 Seemeilen ist, das Territorialmeer bis zu dem
Punkte erstreckt, wo die Küsten sich auf 10 Meilen nähern. Von dieser
letzten Linie ab beginnen die Küstengewässer die sich drei Seemeilen weit
erstrecken. England beanspruchte nun, daß in allen Fällen die gesamten
Bais als Territorialmeer betrachtet werden sollten, selbst dort, wo der
Eingang breiter als 10 Meilen sei. Es trat für die bekannte Theorie der
„Königskammern“ ein, wonach eine Verbindungslinie zwischen dem äußersten
Vorgebirge der Bais gezogen und der ganze hinter dieser Linie befindliche
Raum als Territorialmeer betrachtet wird. Für den Rechtsstreit war diese
Frage deshalb von Bedeutung, weil Amerika im Vertrage von 1818 auf die
Fischerei im Umkreise von drei Seemeilen an bestimmten Stellen verzichı-
tet hatte. Je nachdem nun diese Seemeilen bei den Bais berechnet wur-
den, hatte Amerika für seine Untertanen geringere oder größere Rechte zu
beanspruchen. Das Schiedsgericht hat nun in diesem Punkte, wie auch
BALCH, DE LOUTER und LAnsınG feststellen, keine rechtlich befrie-
digende Lösung gegeben. Es hat nicht dargetan, wie weit nach den heu-
tigen Grundsätzen des internationalen Rechts die Bais Territorialmeer
sind, sondern hat lediglich die tatsächliche Bedeutung des Wortes Bais in
dem Vertrage von 1818 festzustellen versucht, indem es ausführt, das
Wort „Bais“ habe in jenem Vertrage eine ganz bestimmte geographische.
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