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nicht in den Kreis seiner Erwägungen gezogen hat. — Ein Programm der
IIl. Haager Friedenskonferenz entwirft VOLLENHOVEN, les preparatifs de la
troisieme conference de la paix (p. 79—85). Ich habe an anderer Stelle,
gelegentlich der Besprechung eines Aufsatzes von SCOTT im American Jour-
nal of International Law (der sich übrigens in französischer Uebersetzung
auch in der hier besprochenen Zeitschrift S. 445—458 niedergelegt findet)
hervorgehoben, daß eine Kodifikation des Völkerrechts nur durch allmäh-
lichen Ausbau erprobter Sätze * ermöglicht werden, und daß jede Ueber-
eilung nur schädlich wirken kann **®). Diese Auffassung möchte ich gegenüber
dem VOLLENHOVvENschen Aufsatz, der nicht mehr und nicht weniger als
die Schaffung einer „gendarmerie internationale“ zur zwangsweisen Durch-
führung von Schiedssprüchen internationaler Gerichtshöfe fordert, noch-
mals ganz besonders betonen, wenngleich auch ich eine Sanktion für zweck-
mäßig und geboten erachte.
Wesentlich begrenzter und daher auch praktisch durchführbar sind die
von der vorbereitenden Kommission des Instituts für Völkerrecht im Herbst
1911 (p. 587—600) formulierten Fragen, die dem Plenum vorgelegt werden
und der zu bildenden vorbereitenden Kommission für die III. Haager Kon-
ferenz gewisse Richtlinien geben sollen. Sie betreffen hauptsächlich die
Fortbildung des Seekriegsrechts durch Anpassung an die „Gebräuche*
die auf der II. Haager Konferenz für den Krieg zu Lande statuiert worden
sind, die Stellung der Neutralen, die Behandlung der Leuchttürme im Krieg,
die Einwirkung der Schiedssprüche auf die nationale Gesetzgebung, die
vertragliche Fixierung des Begriffes Küstenmeer, die Frage der Einwirkung
des Kriegs auf Privatrechte®.
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* Vergl. Statut des Instituts für Völkerrecht in der Fassung vom
2. IV. 1910 Art. 1: il a pour but de favoriser le progres du droit inter-
national ... . 20 donnant son concours & toute tentative serieuse de codi-
fication graduelleetprogressive du droitinternational.... (Annuaire
XXIVp. 1, 2).
*@) In der mir während der Korrektur zugegangenen Monographie von
ALEXANDRE ALVAREZ, „la codification du droit international, 1912“, (ein
Buch, das die volle Aufmerksamkeit aller Völkerrechtler verlangt) warnt
der Verfasser gleichfalls im Hinblick auf die bevorstehende „Kodifikations-
konferenz* der amerikanischen Staaten in Rio de Janeiro, vor einer Ueber-
eilung. Vgl. bes. S. 276, 277.
5 Vergl. übrigens auch Internoscia, nouveau code de droit internatio-
nal, 1910, 83 5377 sq., ferner van EysınaA in Zeitschrift für Völkerrecht
und Bundesstaatsrecht V (1911), S. 527—534.
° Diese Frage ist bekanntlich durch die abwegige Auffassung der eng-
lischen Regierung hinsichtlich der Auslegung des Art. 23b der Haager Kon-
vention über die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs brennend geworden.