Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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„Die Frage, ob die Reichsgesetzgebung die zwischen Bundes- 
staaten bestehenden Vertragsrechte, in der gleichen Weise außer 
Kraft setzen könne, wie Vorschriften der Landesgesetze, sei un- 
bedenklich zu bejahen. Solche Vertragsbestimmungen seien vom 
Standpunkt des Reichsstaatsrechts zweifellos nichts anderes als 
landesrechtliche Normen, denen nach Art. 2 der Reichsverfassung 
die Reichsgesetze vorgingen. Was die Stellung der Rechtswissen- 
schaft zu dieser Frage anlange, so werde es genügen, auf die Dar- 
legungen bei LABAND, Staatsrecht des Deutschen Reichs, 4. Aufl. 
Bd. II, S. 157 Bezug zu nehmen, wo ausgeführt werde, daß die 
auf Grund von Staatsverträgen von den Einzelstaaten erlassenen 
Vorschriften ipso jure ihre Geltung verlören, sobald das Reich 
durch Gesetz (oder durch einen von ihm geschlossenen Staatsver- 
trag) eine andere Vorschrift sanktioniere, ohne daß es einen 
Unterschied begründe, ob die Verträge der Einzelstaaten vor oder 
nach ihrem Eintritt in den Bund abgeschlossen seien. Daß die 
gestellte Frage gegebenenfalls auch vom Reichsgericht bejaht 
werden würde, sei schon im Hinblick auf die Stellung, die der 
Gerichtshof bei Streitigkeiten über das Verhältnis der Reichs- 
gesetzgebung zu Bestimmungen in Verträgen zwischen Bundes- 
staaten und ausländischen Staaten (Entsch. in Strafs., Bd. 4, 8. 
271, 274; aueh Entsch. in Zivils., Bd. 24, 8. 12) eingenommen 
habe, nicht zu bezweifeln. Eine unmittelbare Bestätigung der 
Auffassung, die dem Art. V des Entwurfs zugrunde liege, biete die 
Reichsgesetzgebung in dem Art. 56 des Einführungsgesetzes zum 
Bürgerliehen Gesetzbuch, der dem Bürgerlichen Gesetzbuche gegen- 
über die Bestimmungen der Staatsverträge, die ein Bundesstaat 
mit einem ausländischen Staate vor dem Inkrafttreten des Gesetz- 
buchs geschlossen hat, aufrecht erhalte. Darüber, daß das Reichs- 
recht die zwischen Bundesstaaten geschlossenen Verträge über 
gleiche Materien außer Kraft setze, habe hierbei, wie die Ent- 
stehungsgeschichte des Artikels 56 ergebe, niemals ein Zweifel 
bestanden. Es könne in dieser Hinsicht auch auf die Ausführungen
	        
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