— 362 —
dete völkerrechtliche Verpflichtung hinwegzusetzen, berührt er nicht.
Die Autoritäten, worauf sich der Kommissar des Reichsjustiz-
amts berufen hat, versagen also. Im übrigen hat er die Frage,
worauf es ankommt, mit Stillschweigen übergangen, Daß der
Kommissar seine Erklärungen im Einverständnis mit dem Staats-
sekretär abgegeben hat, versteht sich von selbst. Ueberdies hat
der Staatssekretär bei den späteren Plenarverhandlungen im Reichs-
tage die Erklärung in keiner Weise berichtigt oder ergänzt. In
diesem Verhalten liegt eine stillschweigende Genehmigung. Sollte
es zu gewagt sein, anzunehmen, daß der Staatssekretär, wenn er
den Standpunkt des Entwurfs in der oben angegebenen Weise zu
rechtfertigen gesucht hat, nicht imstande gewesen sei, eine bessere
Rechtfertigung zu geben, mit anderen Worten, daß er persönlich
die Auffassung der preußischen Staatsregierung, insbesondere die
des preußischen Justizministers, nicht geteilt habe.
Die Stellung, welche die Reichsgesetzgebung bisher zu dem
Akzessionsvertrage zwischen Preußen und den Fürstenhäusern
Hohenzollern eingenommen hat, ist von dem Kommissar des Reichs-
justizamts nicht erwähnt. Er hat insbesondere nicht auseinander-
gesetzt, ob die von dem Reichsjustizamt jetzt vertretene Ansicht
hiermit in Uebereinstimmung steht. Daß Laband diese Verträge
als nicht bindend für die Reichsgesetzgebung angesehen habe,
läßt sich nicht wohl behaupten, denn er führt aus®, daß alle
Rechtstitel, welche zur rechtmäßigen Verschmelzung deutscher
Staaten miteinander führen könnten, nämlich Thronfolgerechte und
Verträge — nach dem Vorbild der zwischen Preußen und den
Hohenzollernschen Fürstentümern abgeschlossenen — mit voller
Wirkung fortbestehen und gerade nach dem Eingang der Reichs-
verfassung vom Reiche „geschützt“ werden sollen.
Es ist eine von Alters her allgemein anerkannte Rechts-
regel, daß die Gesetzgebung in wohlerworbene Rechte nicht ein-
°A.2.0. Bd. 1,8 18, 8. 121.