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greifen darf. Pütter” bemerkt, es müsse „für alle Regenten
und Öbrigkeiten eine goldene Regel sein und bleiben, daß selbst
die höchste Gewalt nicht berechtigt ist, jemandem sein Eigen-
tum oder wohl erworbenes Recht zu nehmen“®. Ist es dem
Staate in einem einzelnen Falle unmöglich, solche Rechte zu
respektieren, so hat er Entschädigung zu leisten. Die Regel be-
.zıeht sich auf alle wohlerworbenen Rechte, nicht bloß auf Ver-
mögensrechte. Es ist auch kein Grund vorhanden, sie auf das
Privatrecht zu beschränken und sie nicht ebenfalls auf das öffent-
liche, insbesondere auf das Staats- und Völkerrecht zur Anwendung
zu bringen. Der Grund, worauf die Regel beruht, ist die Rechts-
sicherheit. Die Bevölkerung muß sich in Ruhe auf den Genuß
ihrer Rechte verlassen können. Sie muß von der Besorgnis frei
sein, daß sie in ihrem Rechtskreis durch ein Eingreifen der Ge-
setzgebung plötzlich geschmälert werden könne. Dieses trifft für
alle Rechtsgebiete zu ”.
?” Beiträge zum deutschen Staats- und Fürstenrecht, Th. I Nr. XX S. 361.
8 Vgl. auch von Berg, Abhandlungen zur Erläuterung der rheinischen
Bundesakte, S. 265.
9 Bei CRAMER, Wetzlarische Nebenstunden, Th. 164, S. 607 heißt es:
„Jedermann sieht den großen Unterschied, welcher hier.... zwischen
indifferenten Sachen und solchen, welche jura quaesita betreffen, gemacht
wird, und daß zu diesen letzteren namentlich die Privilegia, Landes-
verträge und altübliches Herkommen gerechnet werden.“ STRUBE, Recht-
liche Bedenken, V. Teil, 2. Aufl, Von Regierungs- und Justizsachen, sect. 2
$ 8 lit. b (p. 29) bemerkt: „Die höchste Obrigkeit mag mittelst keiner
Landeskonstitution etwas anordnen, welches die durch verbindliche Privi-
legia, Landesverträge und sonst erhaltene Gerechtsame der Stände und
Untertanen schmälert, denn sonst wäre es ein leichtes, diese um alles zu
bringen und eine ganz arbiträre Gewalt einzuführen.“ Durch ein Kon-
klusum des Reichs-Hofrats vom 19. Okt. 1724 wird in einem Rechtsstreit
zwischen dem Herzog von Mecklenburg und der Ritter- und Landschaft
dem Herzog untersagt, ohne Zustimmung der Ritter- und Landschaft etwas,
so derselben Privilegiis, Landesverträgen und Herkommen, denen
Reichssatzungen, kaiserlichen Verordnungen und fürstlichen Resolutionen,
einfolglich ihrer dadurch erlangten Rechte, zuwider, zu verordnen. — Durch
die Rheinbundsakte aus dem Jahre 1806 wurden die Mitglieder dieses
Archiv des öffentlichen Rechts. XXX. 3. 24