Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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auch die herrschende Rechtsquellentheorie hat ja das häufige 
Vorkommen entgegengesetzter Urteile nicht verhindern können 
(128, 129). 
Das Praejudieium gewinnt vom Standpunkt der Lehre Junas 
eine größere Bedeutung als ihm heute zugeschrieben wird. Ist 
ein Verhalten in einem Rechtsspruch auch nur ein einzigesmal 
sanktioniert worden, so wird es von den Rechtsgenossen, die da- 
von Kenntnis erlangen, künftig beachtet werden. Denn ein streng 
rechtlicher Mann wird sich bei der Abmessung der nötigen Rück- 
sicht gegenüber einem andern nicht immer an der äußersten 
Grenze bewegen. Er wird bei schwierigeren Fragen und gerade 
dann, wenn das Gesetz Zweifel übrig läßt, nach einer objektiven 
Bestärkung seiner Rechtsüberzeugung suchen und auch in einem 
vereinzelten Richterspruch einen begrüßenswerten Anhalt finden. 
So enthält schon eine einzelne Entscheidung „eine gewisse psy- 
chische Bindung der Rechtsgenossen für künftige ähnliche Fälle“, 
die sich mit jeder neuen gleichlautenden Entscheidung verstärkt 
(5. 134). Die Rechtsgenossen werden voneinander verlangen, was 
jener Entscheidung entspricht, und ein anderes Verhalten als 
materielle Verletzung empfinden. So wird die frühere Entschei- 
dung auch für den Richter maßgebend (8. 136). 
Im Zusammenhang mit dieser Anschauung steht jene über 
die Stellung des Richters zur Zivilrechtsordnung. Die Normen des 
bürgerlichen Rechtes richten sich „keineswegs ausschließlich oder 
doch für den Fall des Streits“ an das Gericht, sondern an die Par- 
teien, das bürgerliche Recht gibt Verhaltungsmaßregeln für die 
Interessenten; daher sind diese Normen auch „maßgebend“ für den 
Richter. Aber sie sind „nicht im Sinne einer Rechtspflicht als 
einzelne für ihn bindend (S. 136, 137). Sie sind „Maßstab“, „Er- 
kenntnismaterial“, aber nicht „Willensschranke* für den Richter 
bei seiner Aussage über konkretes Recht und Unrecht (S. 327). 
Alles „jus inter singulos“ ist „für die Öffentlichrechtliche Person 
des Richters nur ‚Weistum‘“, „unmittelbar bindende Normen* für
	        
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