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stützte, so hätte man in der konstruierten Lückenlosigkeit des Rechts
etwas ganz Belangloses gefunden.
Es würde uns zu weit führen, noch länger bei dem Dogma
der logischen Geschlossenheit des Rechtes zu verweilen. Jeden-
falls können wir auf Grund des Vorgebrachten JUNG und anderen
Vertretern der neuen Richtung zustimmen, wenn sie jenes Dogma
ablehnen, allerdings mit den unter 1 erörterten Einschränkungen.
B. Die Frage, wie die Lücken der Rechtsordnung auszufüllen
seien, führt JUNG zu dem Versuche, ein für alle Fälle maß-
gebendes objektiv feststellbares natürliches Recht zu konstruieren.
Hiebei geht er insbesondere von zwei Prämissen aus: erstens von
der Freiheit des Willens und zweitens von der Gleichmäßigkeit der
Anschauungen der Rechtsgenossen über dasjenige, was man sich
gefallen zu lassen und nicht gefallen zu lassen braucht.
1. Kein Wort sagt JUNG darüber, was er unter Willensfrei-
heit versteht, ob er an eine Freiheit im metaphysischen Sinn
glaubt, also Willensentschließungen als dem Kausalgesetz nicht
unterworfen betrachtet, oder ob er bloß an empirische, psycholo-
gische Freiheit denkt. Sollte bloß das letztere zutreffen, so war wohl
eine Erwähnung der Willensfreiheit überflüssig und geradezu irre-
führend. Aus der Anrufung der „auch durch die scharfsinnigsten Ar-
gumente subjektiv nicht zu beseitigenden Ueberzeugung“ S. 53 darf
aber wohl eher gefolgert werden, daß an die metaphysische Wil-
lensfreiheit gedacht ist, daß JUNG sich zu den Indeterministen
rechnet. Nun will er metaphysische Erörterungen vermeiden,
meint aber dennoch der Willensfreiheit für seine Erklärung des
Rechts aus ethischen Anschauungen nicht entraten zu können.
Vielleicht wird bei dieser Sachlage mancher Leser das Eingehen
auf metaphysische Fragen vermissen. Anderseits bedurfte es eines
Zurückgehens auf die Willensfreiheit im metaphysischen Sinne
nicht, um die weiteren Annahmen des Autors zu fundieren. Denn
auch von deterministischen Vorstellungen aus lassen sich die ge-