— 393 —
einer befriedigenden Erklärung des Rechtes auch nicht hin, dieses
schlechthin auf die Ansicht oder das Rechtsgefühl der herrschenden
Klassen zurückzuführen. Doch muß es der schon mehrfach in Aus-
sicht gestellten späteren Arbeit überlassen bleiben, sich an der-
artige Probleme heranzuwagen.
C. Die wichtigsten Folgerungen, die JUNG aus seiner Prä-
missen ableitet, betreffen, wie schon erwähnt wurde, erstens die
Geltung von „regelhaftem“ (Gesetzes- und G@ewohnheits-) Recht,
zweitens die Verbindlichkeit von Präjudizien, drittens die Stellung
des Richters bei der Entscheidung privatrechtlicher Streitigkeiten.
Die Lösungen dieser drei Probleme bilden nach der Auffassung
JUNGs offenbar gewissermaßen zusammen ein in sich geschlossenes
Ganze. Ueber die eingangs aufgeworfene Frage nach der Aus-
füllung von Lücken wird weit hinausgegangen und ein System er-
dacht, welches die gesamte rechtsprechende Tätigkeit des Zivil-
richters umfassen soll, gleichgültig ob die Verhaltungsmaßregeln
geschriebenen Gesetzen, Gewohnheitsrecht oder anderen Quellen
entnommen werden.
Auffallend dabei ist es, daß JUNG sich eine sehr weitgehende
Beschränkung auferlegt, obwohl sie weder in der Problemstellung
noch in den Prämissen begründet ist und obwohl uns der Autor
mit keinem Wort erklärt, warum er seinen Untersuchungen viel
engere Grenzen gesteckt hat, als die Anlage des Werkes ihm er-
laubt hätte. Es wird nämlich im wesentlichen nur das Privat-
recht ins Auge gefaßt und auch dieses vornehmlich unter dem
Gesichtspunkt, daß der Richter „ein der Vergangenheit angehöriges
Tatverhältnis“ zu beurteilen habe. Die rechtsgestaltende Tätig-
keit des Richters, die freiwillige Gerichtsbarkeit, das Prozeß- und
Exekutionsrecht, das Strafrecht, vor allem aber das weite mit dem
Zivilrecht vielfach in engster Berührung stehende Verwaltungs-
recht werden nicht berücksichtigt, vom Staats- und Kirchenrecht
ganz zu schweigen. Gewiß gibt es auch auf diesen Gebieten
Lücken im Recht; was JUNG von der Willensfreiheit und den