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meines Erachtens einer nicht unwesentlichen Korrektur. Nur
wenn und soweit das Gesetzblatt dem Rechtsdogmatiker fertiges
Material zur unmittelbaren Rechtsanwendung liefert, ist die histori-
sche Auslegungsweise zurückzuweisen. Die nähere Darlegung
auch dieser Gedankengänge muß einer späteren Gelegenheit vor-
behalten werden.
Wenden wir uns nun von der dogmatischen zur soziologi-
schen Rechtswissenschaft, so gibt JUNG die Notwendigkeit der
historischen Untersuchung für die Beantwortung der Frage, ob
ein Rechtssatz bestimmten Inhalts in einer Gemeinschaft einmal
entstanden sei, zu. Aber er scheint sein Augenmerk leider nicht
auf die ungeheure Bedeutung gelenkt zu haben, welche die ge-
schichtliche Forschung für die Wissenschaft und Praxis des Rechts
gerade auf den von der neuen Rechtsquellenbewegung geschaffe-
nen Grundlagen gewinnen dürfte Die neue Lehre leitet das
Recht nieht mehr aus Normen ab, die a priori als verbindlich be-
trachtet werden, sondern aus gesellschaftlichen Vorgängen. Die
Gesetze des gesellschaftlichen Geschehens vermag aber nur das
Genie durch Intuition in ihrem inneren, notwendigen Zusammen-
hang zu begreifen. Die große Menge jener Forscher, welche sich
der neuen Richtung anschließen werden, dürfte vermutlich bald
ebensolche Massen historisch-deskriptiver Einzeluntersuchungen
produzieren, wie deren die historische Schule der Nationalökonomie
hervorgebracht hat und noch immer hervorbringt.
III. Das vorliegende Werk JUNGs ist eine ausgezeichnete und
höchst interessante Leistung. Schon äußerlich erhebt sich das
Buch durch ein umfassendes philosophisches und juristisches Wis-
sen des Autors, durch dessen Belesenheit, durch häufige Stellung-
nahme zu praktischen Rechtsfragen und durch ein stetes Ringen
nach Klarheit weit über so viele Arbeiten der Rechtsquellen-
bewegung, deren Verfasser ohne philosophische Schulung, ohne
genügende Kenntnis der Rechtsliteratur, ohne sich um die Wir-
kungen ihrer Theorien in der Praxis zu kümmern, die schwierig-