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Gehe ich nunmehr zu dem Kapitel III über, das von den Regierenden
und ihren „Agenten“ handelt, so wäre zunächst zu berichten, daß er das
Wahlrecht als situation legale auffaßt und — zutreffend — ein subjektives
Recht des Wählers ablehnt (1 298). Nur ist eben, wie wir gesehen haben,
eine situation legale re vera nichts anderes als das, was wir mit dem
terminus „subjektives Recht“ zu bezeichnen pflegen. Der 59. Abschnitt des
Werkes zeigt D. als Anhänger des Frauenstimmrechtes, für das er mit Wärme
eintritt; einige Seiten später empfiehlt er das Proportionalwahlrecht (1377 ff.),
das er in eingehender und ausgezeichneter Weise zur Darstellung bringt.
In diesem Zusammenhang geht er auf die professionelle oder syndikale
Vertretung ein, die gerade in Frankreich seit einigen Jahren — auch von
Dvevıitr — mit allem Nachdruck gefordert wird. Hochinteressant sind
seine Ausführungen, die in dem Abschnitt „decentralisation par service“
(S. 460—467) niedergelegt sind, und in dem er — das bezeichnet er eben
als decentralisation par service — Teilnahme der (staatlichen) Beamten an
der Leitung des betr. Dienstes verlangt. Die Streiks staatlicher Beamten,
die ja in Frankreich in den letzten Jahren wiederholt vorgekommen sind,
verwirft er mit Recht (I 512 ff.), erkennt den fonctionnaires Etatiques aber
gleichzeitig in eingehenden Untersuchungen des geltenden Rechtes die Be-
fugnis zu, sich in Assoziationen und Syndikaten zusammenzuschließen
(I 522—536).
Ganz kurz fassen kann ich mich bei einer Inhaltsangabe des zweiten
Bandes. In ihm handelt der Verfasser zunächst im zweiten Teil des
Werkes von den Freiheitsrechten, die eingehend historisch-dogmatisch
dargestellt werden.
Besonderes Interesse dürften hier seine Ausführungen über die Tren-
nung von Staat nnd Kirche erwecken (II S. 109—138), die um so mehr Be-
achtung verdienen, als sie von strengster Objektivität getragen sind.
Der III. Teil des Werkes ist dem geltenden Staatsrecht Frankreichs
gewidmet, in dem die geschichtliche Entwicklung seit 1789 vorgeführt wird
und der ausgezeichnet ist durch Klarheit, Schärfe des Urteils und, was
besonders zu begrüßen ist, das Fehlen praktischer Folgerungen aus den
im ersten Teil niedergelegten abwegigen Ideen.
Ich habe das Werk DuaUITs zu mehreren Malen mit stets gleichbleibendem
Interesse gelesen, und habe, wenn ich auch mit den Auffassungen des Ver-
fassers vom Recht und vom Staat und dessen Zwecken nicht einverstanden bin,
reichen Nutzen daraus gezogen. Ich möchte meine Besprechung nicht be-
endigen, ohne die Hoffnung auszusprechen, daß das Werk diesseits der
schwarz-weiß-roten (Cirenzpfähle größere Verbreitung erfahren möge als es
bislang der Fall war. Denn es verdient, gelesen und bekannt zu werden.
Frankfurt a. M. Dr. Karl Strupp.