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Oesterreichische Staatsverträge. Niederlande. Erster
Band, bis 1722. Bearbeitet von Heinrich Ritter von Srbik. Wien
1912. (Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte
Oesterreichs X).
Von der im Auftrage der Kommission für neuere Geschichte Oester-
reichs in dankenswerter Weise veranstalteten Sammlung Oesterreichischer
Staatsverträge liegt Band X, der die völkerrechtlichen Beziehungen Oester-
reichs zu den Niederlanden bis zum Jahr 1722 zum Gegenstand hat, vor.
Von den 47 (darunter 28 bisher ungedruckten) Verträgen bzw. Vertragsent-
würfen, die der Bearbeiter dieser Abteilung in dem Werke vereinigt hat,
entfällt nur einer, das Projekt eines Neutralitätsvertrags vom Oktober 1636
(Nr. 1), auf die Zeit vor 1668, alle übrigen gehören den 55 Jahren bis
zum Jahre 1722 an. Das erklärt sich — wie SRBIK in seiner ausgezeich-
neten Einleitung des näheren ausführt — damit, daß Oesterreich sich erst
sehr spät dazu entschließen konnte, die Generalstaaten als Völkerrechts-
subjekt anzuerkennen. Lieber ließ man in Wien den Vertragsentwurf, der
die Neutralität der Generalstaaten und damit die Ruhe eines Teils der
westlichen Grenzlande des Reiches gesichert hätte, scheitern, als daß man
den Staaten die Anrede „Celsi et potentes Domini“ an Stelle des bisher
beliebten „Nostri et Sacri Romani Imperii fideles dilecti* gewährt hätte.
Und auch in der Folgezeit ist eine derartige Anerkennung niemals aus-
drücklich erfolgt; denn noch im Westfälischen Frieden hat das Reich, —
das weist SRBIK gegenüber der bisherigen irrtümlichen Auffassung über-
zeugend nach — keineswegs die Vereinigten Niederlande als unabhängig vom
Reich anerkannt — im Gegensatz zu Spanien, das im Münsterer Friedens-
instrument ausdrücklich von den „libres Estats, Provinces et Pays“ spricht.
Nach dem Stoff eingeteilt, behandeln die in dem Band enthaltenen
Urkunden, denen stets eine eingehende historische Erläuterung vorausgeht,
überwiegend Bündnisverträge. Begreiflich genug, sind sie doch in einer
Periode abgeschlossen, die durch die Eroberungspolitik Ludwigs XIV. und
die hiergegen gerichteten Abwehrmaßnahmen gekennzeichnet wird, Ab-
wehrmaßnahmen, die freilich vielfach, das tritt uns aus den Verhand-
lungen, die SRBIK mit viel bisher unbekanntem Material vorführt, von
neuem entgegen, deswegen von keinem rechten Eıfolg begleitet gewesen
sind, weil die damaligen Regierungen sich häufig nicht dazu entschließen
konnten, in Subsidien- und ähnlichen Fragen im Interesse des gemeinschaft-
lichen großen Ziels, der Niederwerfung des Bedrängers, dem Vertragsgegner
entgegenzukommen.
Außer den eben erwähnten Bündnisverträgen sind — auch völkerrecht-
lich — noch zwei andere Urkunden recht beachtlich. Von ihnen erhält die
eine, Nr. 14, das Projekt eines Handelsvertrags zwischen Leopold I. und
den Generalstaaten, der nicht Geringeres als die Freiheit des Durchfahr-
handels der Holländer mit allen Waren eigener und fremden Produktion