Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

— 509 — 
schehen ist, in öder Wortklauberei und -verdrehung jede tiefere Bedeutung 
absprechen wollen. In Wirklichkeit besagen die verschiedenen Aeußerungen 
des Zaren nichts anderes als die feierliche Erklärung, Finnland als „place 
au rang des nations“ (wie Alexander I. sich in seiner Abschiedsrede vom 
18./6. Juli 1809 ausdrückte, mit der er den finnischen Landtag schloß), also 
als Staat® anzuerkennen. Alexander I. hätte, als er antizipierend an die 
Ordnung Finnlands ging, und nachdem er einmal entschlossen war, dem 
Lande staatliche Autonomie zu gewähren, ihm eine beliebige Verfassung 
neu schaffen können. Wohl aus praktischen Erwägungen, insbesondere 
um an Bestehendem anzuknüpfen, tat er dies nicht, sondern bestimmte er, 
daß die Verfassung Schwedens, dessen Bestandteil Finnland bisher gewesen 
war, auch weiterhin in Finnland Geltung haben sollte. Während aber 
Schweden aus einer Reihe von Landesteilen, zu denen auch Finnland ge- 
hörte, bestanden hatte, waren — was bisher noch nirgends zum Ausdruck 
gelangt ist — nunmehr die schwedisch verbleibenden Gebiete in Wegfall 
gekommen, so daß für die hier fraglichen Verhältnisse Finnland staats- 
rechtlich völlig die Stelle einnahm, die vorher Schweden einschließlich 
der Provinz Finnland inne gehabt hatte. — Weiter aber enthielten die Er- 
klärungen Alexanders eine Selbstbindung und Selbstbeschränkung des Mon- 
archen, die natürlich nicht nur für ihn, wie von manchen russischen 
Schriftstellern behauptet wird, sondern für alle seine Nachfolger verbind- 
liche Kraft haben muß und auch dann haben müßte, wenn diese nicht 
sämtlich, auch Nikolaus II., inhaltlich entsprechende Erklärungen bei ihrer 
Thronbesteigung abgegeben haben würden ’”. 
Für die Entscheidung dieser Frage ist es natürlich völlig gleichgül- 
tig, ob man Finnland als Staat auffaßt oder nicht. Letztere Frage hat viel- 
mehr rein theoretische Bedeutung. Zu ihrer Beantwortung gelangt man 
leicht dann, wenn man sich vor Augen hält, daß alle Handlungen, die von 
dem Zaren für Finnland vorgenommen werden, von ihm qua Großfürst von 
Finnland und nicht qua Zar aller Reußen ausgehen müssen. Das fand — 
vor den auf Vernichtung der staatlichen Selbstständigkeit Finnlands ge- 
richteten Bestrebungen — seinen deutlichen Ausdruck darin, daß alle dem 
Zaren zur Sanktion vorgelegten Gesetze durch den finnischen Ministerstaats- 
sekretär an ihn gelangten, nachdem sie von dem finnischen Landtag ange- 
nommen waren. „Wenn somit durch übereinstimmende Beschlüsse des 
6 Vgl. auch BoRNHAK a. a. O. S. 21, ErıcH, Droit de 1a Finlande p. 2. 
? Wann der Staat Finnland entstanden ist, läßt sich als historische 
Tatsache juristisch nicht feststellen. Jedenfalls bestand er aber schon, als 
der Treueid der Stände geleistet wurde, den ich, will man nicht zu der 
Annahme eines pactum unionis et subiectionis gelangen, lieber nicht als 
den einen Teil eines zwischen Herrscher und Volk geschlossenen Vertrags 
ansehen möchte. 
33 *
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.