Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

— 510 — 
Landtags und des Monarchen ein Gesetz zustande kommt, so liegt hierin 
ausschließlich eine Ausübung der finnischen Staatsgewalt, und wenn der 
Kaiser und Großfürst, innerhalb der Grenzen seiner Zuständigkeit, eine 
Verordnung erläßt, so kommt ebenfalls ein Akt des finnischen Staatswillens 
zustande. Russischen Staatsorganen kann der Monarch keine ihm als Groß- 
fürst von Finnland zukommende Befugnis abtreten oder übertragen“ (Erıca, 
8. 61) 8. 
Bis zum Jahre 1899 ist auch tatsächlich Finnland staatsrechtlich von 
Rußland durchaus so behandelt worden, wie es den oben skizzierten Grund- 
sätzen entsprach. Mit jenem Jahre aber setzte jene, durch eine Summe 
von Verfassungsbrüchen charakterisierte und nur während der Revolutions- 
jahre kurze Zeit unterbrochene Reaktionspolitik ein, die auf Vernichtung 
der Autonomie Finnlands gerichtet, ihren schärfsten Ausdruck (außer in der 
Behandlung der Wehrpflichtsfrage)? in dem sogenannten „Journal“ des rus- 
sischen Ministerrates vom 2. Juni 1908 in Verbindung mit dem russischen 
Gesetz vom 17./30. Juni 1910 gefunden hat. Von diesen setzt ersteres den 
russischen Ministerrat in allen zugleich russischen Angelegenheiten unter 
Ausschaltung auch des finnischen Ministerstaatssekretärs an Stelle des fin- 
nischen Senats, während letzteres alle die Interessen des Reiches be- 
rührende Gesetzgebungsangelegenheiten Finnlands der Kompetenz der ru s- 
sischen Gesetzgebung zuweist. Daß beide, staatsrechtlich betrachtet, 
nichtig und bedeutungslos sind, ist von zahlreichen bedeutenden Schrift- 
stellern, wie auch von dem protestierenden finnischen Landtag mit aller 
Klarheit dargetan worden — die Antwort war das russische Gesetz 
vom 24. Januar/6. Februar 1912, das — entgegen der bisherigen Ordnung 
der Dinge — die Untertanen Rußlands!° den Finnländern in Finnland völlig 
gleichstellt, den Eintritt von Russen iu den finnischen Staatsdienst aus- 
drücklich gestattet und finnländische Beamte, sowie Inhaber öffentlicher 
Funktionen überhaupt mit Geldstrafen, Arrest oder Gefängnis bis zu einem 
Jahr und vier Monaten, eventuell auch mit Amtsverlust bedroht, die diesem 
russischen Gesetze, das zweifellos juristisch ungültig ist, zuwider zu han- 
deln wagen !!, 
8 Vgl. auch Gerz S. 19; dort auch (S. 37) Widerlegung der Aufassung 
GEORG JELLINEKs: Finnland = Staatsfragment. 
®° Darüber Erıcn, S. 147—149; BORNHAK 50—57; Die finnländische 
Frage im Jahre 1911, S. 34—52. 
10 Es nennt sich bezeichnenderweise Gesetz über „die Gleichstellung 
übriger [sic!] russischer Untertanen mit den finnischen Staatsbürgern‘. 
‚ *! In Anwendung dieses Gesetzes, nach dem die „Schuldigen* vor rus- 
sischen Gerichten zur Verantwortung zu ziehen und die Freiheitsstrafen in 
russischen Strafanstalten zu verbüßen sind, wurden seit Herbst 1912 
eine größere Anzahl finnischer Beamten zu mehrmonatlichen Gefängnis- 
strafen von russischen Richtern verurteilt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.