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gelung hinabführt und sich den Grundfragen allen Rechtes nähert.
Je mehr wir innerhalb des großen formellrechtlichen Bereiches
bleiben, um so geringer wird die Wahrscheinlichkeit sein, daß
wir in unseren Ergebnissen allzusehr der — nur theoretisch
denkbaren — Endbilanz aller Energetik zuwiderhandeln und den
Gedanken einer sittlichen Weltordnung allzusehr außer Acht
lassen. Die Frage nach der Beibehaltung der Todesstrafe wird
sich weit weniger zu energetischer Betrachtung eignen als etwa
die Frage nach der Zweckmäßigkeit mehrerer Instanzen.
So ist auch ein rechtspolitisches und formellrechtliches Pro-
blem wie die Einführung des von ZEILER vorgeschlagenen „Ge-
richtshofes für bindende Gesetzesauslegung“?
fähig, energetisch behandelt zu werden. Es gilt hier zunächst,
den Begriff der „Auslegung“ klar zu erfassen. Der Begriff, wie
er in der Regel gebraucht wird, hat eine technsich-formelle und
eine inhaltlich-materielle Bedeutung, die voneinander geschieden
werden müssen.
Um unter den Rechtsangehörigen Geltung zu erlangen, be-
dürfen die Gesetze der Formulierung durch Worte. Diese Formu-
lierung ist Sache der Gesetzestechnik. Die Technik des Ge-
setzes wird naturgemäß um so vollkommener sein, je mehr es ihr
gelingt, den Sinn des Gesetzes zum Ausdruck zu bringen, das
heißt, Inhalt und Umfang der gesetzlichen Norm klar und un-
zweideutig zu bezeichnen.
Die energetische Bedeutung der Gesetzestechnik liegt auf der
Hand. Ein technisch schlechtes Gesetz ist die Quelle von Deu-
tungsversuchen, Kommentaren, Prozessen, einander widersprechen-
den Entscheidungen und damit die Ursache zahlreicher und
?2 Vgl. ZEILER, Ein Gerichtshof für bindende Gesetzesauslegung
(München und Berlin 1911), ferner: Von den responsa prudentium zum Aus-
legungsgerichtshof in der Rheinischen Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht,
4. Jahrgang S. 367 ff., endlich: Ein Reichsamt für Gesetzesauslegung im
Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie IV. Band 8. 379 fg. mit dem
Nachwort von KOHLER, vgl. auch ebenda S. 645 ff.