Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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genden Grund: Die technisch schlechten Gesetze haben etwas 
Dunkles, Zweideutiges, Schillerndes. Aus ihnen kann jede der 
streitenden Parteien mit einem Scheine von Recht sich die Deutung 
herausholen, die ihr für ihre Zwecke dienlich erscheint. Aehnlich 
steht es mit den inhaltlich schlechten Gesetzen. Sie geben dem 
einen ihren Wortlaut, den er für sich anführen kann; dem anderen 
weisen sie ihre Verbesserungsbedürftigkeit, wenn er sieht, wie bei 
wörtlicher Anwendung sein Recht geschmälert wird. Also auch 
in ihnen ist die verhängnisvolle Zweiheit, die zu Prozessen anreizt. 
Wenn wir die „schlechten“ Gesetze als Quellen der Prozesse 
erkennen, so sehen wir, daß nicht nur, wie wir oben ausgeführt 
haben, die technisch, sondern auch die inhaltlich schlechten Gesetze 
energiefeindlich sind. Auch sie rufen zahlreiche Rechtsstreitig- 
keiten, damit aber einander widersprechende Entscheidungen, 
Deutungsversuche, alles energiezerstörende Kräfte, hervor. Dieser 
enge Zusammenhang zwischen mangelhaften Gesetzen und zahl- 
reichen Prozessen wirft ein Licht auf diese als soziale Krankheits- 
erscheinungen. Die Prozesse sind ein Symptom „kranker“ Gesetze, 
und wenn über ein wirtschaftliches Gebiet rechtlich viel gestritten 
wird, so läßt das eine mangelhafte rechtliche Regelung des Ge- 
bietes vermuten. 
Prozesse sind aber nicht nur diejenigen Erscheinungen, die 
das Vorhandensein von Krankheiten anzeigen, sondern sie sind 
zugleich — in der Theorie — die Heilmittel. Der Urteilsspruch 
soll einen sozialen Krankheitsfall beseitigen. Von hier aus wird 
uns klar, wie töricht das Bestreben ist, einfach zahlenmäßig eine 
Verminderung der Prozesse herbeizuführen, ohne das Uebel an 
der Wurzel anzufassen. Wer damit wähnt, soziale Krankheiten 
zu bekämpfen, handelt etwa so, wie einer, der glaubt, die Krank- 
heiten zu beseitigen, indem er die Aerzte oder die Apotheken oder 
die Heilmittel aus der Welt schafft, weil alle diese Erscheinungen 
das Vorhandensein von Krankheiten zur Voraussetzung haben. 
Die Prozesse als solche sind ebensowenig Krankheitsfälle, wie die
	        
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