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genden Grund: Die technisch schlechten Gesetze haben etwas
Dunkles, Zweideutiges, Schillerndes. Aus ihnen kann jede der
streitenden Parteien mit einem Scheine von Recht sich die Deutung
herausholen, die ihr für ihre Zwecke dienlich erscheint. Aehnlich
steht es mit den inhaltlich schlechten Gesetzen. Sie geben dem
einen ihren Wortlaut, den er für sich anführen kann; dem anderen
weisen sie ihre Verbesserungsbedürftigkeit, wenn er sieht, wie bei
wörtlicher Anwendung sein Recht geschmälert wird. Also auch
in ihnen ist die verhängnisvolle Zweiheit, die zu Prozessen anreizt.
Wenn wir die „schlechten“ Gesetze als Quellen der Prozesse
erkennen, so sehen wir, daß nicht nur, wie wir oben ausgeführt
haben, die technisch, sondern auch die inhaltlich schlechten Gesetze
energiefeindlich sind. Auch sie rufen zahlreiche Rechtsstreitig-
keiten, damit aber einander widersprechende Entscheidungen,
Deutungsversuche, alles energiezerstörende Kräfte, hervor. Dieser
enge Zusammenhang zwischen mangelhaften Gesetzen und zahl-
reichen Prozessen wirft ein Licht auf diese als soziale Krankheits-
erscheinungen. Die Prozesse sind ein Symptom „kranker“ Gesetze,
und wenn über ein wirtschaftliches Gebiet rechtlich viel gestritten
wird, so läßt das eine mangelhafte rechtliche Regelung des Ge-
bietes vermuten.
Prozesse sind aber nicht nur diejenigen Erscheinungen, die
das Vorhandensein von Krankheiten anzeigen, sondern sie sind
zugleich — in der Theorie — die Heilmittel. Der Urteilsspruch
soll einen sozialen Krankheitsfall beseitigen. Von hier aus wird
uns klar, wie töricht das Bestreben ist, einfach zahlenmäßig eine
Verminderung der Prozesse herbeizuführen, ohne das Uebel an
der Wurzel anzufassen. Wer damit wähnt, soziale Krankheiten
zu bekämpfen, handelt etwa so, wie einer, der glaubt, die Krank-
heiten zu beseitigen, indem er die Aerzte oder die Apotheken oder
die Heilmittel aus der Welt schafft, weil alle diese Erscheinungen
das Vorhandensein von Krankheiten zur Voraussetzung haben.
Die Prozesse als solche sind ebensowenig Krankheitsfälle, wie die