Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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Wählerschaft des Wahlkreises ist organisiert, um anläßlich des 
Zeitpunktes der Wahlen einen einheitlichen Willen abgeben zu 
können. Die formelle Einheit der Wähler, der Wahlkörper ist 
Subjekt. Er besitzt allerdings nur ein einzelnes Recht, das Wahl- 
recht. Allein durch den Besitz dieses Rechts wird er doch 
Rechtssubjekt?. 
Beim Mandate ist eine formelle und eine materielle Seite zu 
unterscheiden. Die erstere besteht in der Ernennung, die letztere 
in der Normierung der Tätigkeit und ihrer Dauer. Formell liegt 
ein Mandat des Wahlkörpers vor; der Wahlkreis ernennt den Ab- 
geordneten. Nach dem Wortlaute der modernen Verfassungen 
wäre dagegen allerdings die materielle Seite des Mandats den 
Wählern entzogen; der Inhalt des Mandates bestimmte sich 
ausschließlich durch die Verfassung, wonach der Abgeordnete 
lediglich im Gesamtinteresse tätig zu sein bat. Allein seinem 
Sinne nach geht das Verbot des imperativen Mandates wohl nicht 
so weit, daß es auch die Erwartungen der Wähler in bezug auf 
die politische Haltung des Abgeordneten als bedeutungslos hin- 
stellte®. Der Abgeordnete soll allerdings im allgemeinen Inter- 
esse tätig sein, die Auffassung darüber aber, was dem Gemein- 
wohle fromme, wird durch die politische Ueberzeugung bestimmt. 
Es besteht so eine gewisse öffentlichrechtliche Verantwortlichkeit 
des Abgeordneten gegenüber den Wählern, ein Mandatsverhältnis 
von begrenztem Inhalte‘®. 
2 Der Wahlkörper ist m. E. ein Staatsorgan kollegialischer Natur. 
3 Auch LABAnND a. a. O. S. 298 Anm. 1 bemerkt: „Das Verbot des im- 
perativen Mandates hat den Partikularismus der Stände, im Deutschen 
Reiche auch den der Landesvertretungen überwunden, aber er berührt nicht 
den Partikularismus der Parteien und Fraktionen.* 
* Dagegen LasBAnn, Archiv für öffentliches Recht, Bd. 12 S. 279. 
Dvevır, Trait6 de Droit const. I S. 341 bemerkt: Il faut ajouter qu’avec 
la theorie qui soutient que le depute est complötement independant de ses 
electeurs on ne peut expliquer la pratique qui est suivie en France et & 
l’etranger et d’apres laquelle le vote des deputes a lieu au scrutin public,
	        
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