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Wählerschaft des Wahlkreises ist organisiert, um anläßlich des
Zeitpunktes der Wahlen einen einheitlichen Willen abgeben zu
können. Die formelle Einheit der Wähler, der Wahlkörper ist
Subjekt. Er besitzt allerdings nur ein einzelnes Recht, das Wahl-
recht. Allein durch den Besitz dieses Rechts wird er doch
Rechtssubjekt?.
Beim Mandate ist eine formelle und eine materielle Seite zu
unterscheiden. Die erstere besteht in der Ernennung, die letztere
in der Normierung der Tätigkeit und ihrer Dauer. Formell liegt
ein Mandat des Wahlkörpers vor; der Wahlkreis ernennt den Ab-
geordneten. Nach dem Wortlaute der modernen Verfassungen
wäre dagegen allerdings die materielle Seite des Mandats den
Wählern entzogen; der Inhalt des Mandates bestimmte sich
ausschließlich durch die Verfassung, wonach der Abgeordnete
lediglich im Gesamtinteresse tätig zu sein bat. Allein seinem
Sinne nach geht das Verbot des imperativen Mandates wohl nicht
so weit, daß es auch die Erwartungen der Wähler in bezug auf
die politische Haltung des Abgeordneten als bedeutungslos hin-
stellte®. Der Abgeordnete soll allerdings im allgemeinen Inter-
esse tätig sein, die Auffassung darüber aber, was dem Gemein-
wohle fromme, wird durch die politische Ueberzeugung bestimmt.
Es besteht so eine gewisse öffentlichrechtliche Verantwortlichkeit
des Abgeordneten gegenüber den Wählern, ein Mandatsverhältnis
von begrenztem Inhalte‘®.
2 Der Wahlkörper ist m. E. ein Staatsorgan kollegialischer Natur.
3 Auch LABAnND a. a. O. S. 298 Anm. 1 bemerkt: „Das Verbot des im-
perativen Mandates hat den Partikularismus der Stände, im Deutschen
Reiche auch den der Landesvertretungen überwunden, aber er berührt nicht
den Partikularismus der Parteien und Fraktionen.*
* Dagegen LasBAnn, Archiv für öffentliches Recht, Bd. 12 S. 279.
Dvevır, Trait6 de Droit const. I S. 341 bemerkt: Il faut ajouter qu’avec
la theorie qui soutient que le depute est complötement independant de ses
electeurs on ne peut expliquer la pratique qui est suivie en France et &
l’etranger et d’apres laquelle le vote des deputes a lieu au scrutin public,