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Nicht zutreffend wäre die Annahme, der Abgeordnete in
seiner Eigenschaft als Amtsinhaber trete in ein Verhältnis zum
Staate. Er hilft vielmehr mit, den Staat zu verkörpern, er stellt
mit seinen Kollegen ein wichtiges Organ des Staates selbst dar'?,
er ist Mitausübender, Mitinhaber der Staatsgewalt.
2.
Nicht nur die Wahl der Abgeordneten, sondern jede öffent-
liche Wahl oder Ernennung scheint mir ein öffentlichrechtlicher
Auftrag zu sein’®.
Es fragt sich allerdings auch hier in erster Linie, ob die
Wahlbehörde als Staatsorgan ein Rechtssubjekt sei, das einen
Auftrag zu erteilen vermöge. Es wird von mehreren Schrift-
stellern bestritten, daß die Staatsorgane eigene Rechte besitzen,
Persönlichkeiten seien. Es ist hier nieht der Ort, die gegenteilige
Auffassung zu begründen. Nur soviel sei bemerkt, daß es der
natürlichen Auffassung entspricht, in den Organen selbständige'*,
eigene Willensentschließungen kundgebende Subjekte und nicht
bloß Werkzeuge des Staates zu erblicken !?.
Wir finden bei den Wahlen staatlicher Funktionäre alle
12 Sofern man wenigstens der wohl herrschenden Ansicht huldigt, daß
das Parlament ein Staatsorgan sei. Vgl. über diese Frage neuestens KEL-
SEN, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre S. 465 fl.
18 Die Annahme eines privatrechtlichen Mandates beim Beamtenver-
hältnisse wurde früher vielfach vertreten, vgl. REHM in den Annalen des
Deutschen Reichs 1884 S, 583 ff. In der französischen Literatur ist die An-
nahme eines Mandats sehr verbreitet; die Zitate bei DucuvıT a. a. O. I
S. 477. Ueber die ganze Frage vgl. LABAnD, Staatsrecht des Deutschen
Reichs I $ 45 und MEYER-AnscHÜTz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts
S. 499.
14 Allerdings ist zu betonen, daß das Organ in seiner Rechtssubjekti-
vität nicht isoliert dasteht, sondern den einheitlichen Staat zum Ausdrucke
bringt. Allein es erscheint als eine Ueberspannung dieses Gedankens, wenn
man den. Organen jede Selbständigkeit abspricht.
»5 Vgl. auch O. MAYER in der Festgabe für LABAnD 1] 8.57 und FLEI-
NER, Institutionen des Verwaltungsrechts 2. Aufl. S. 88.