Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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Verhältnisse gewisse Ausnahmen von der Beobachtung der 
soeben besprochenen Formvorschrift zugelassen; so wenn 
einer Person die Abgabe der staatlicherseits geforderten Erklä- 
rung arglistigerweise unmöglich gemacht wird, oder wenn die 
Erklärung wegen unmittelbarer Todesgefahr nicht mehr stattfin- 
den kann; vgl. ME. v. 17. X. 1840 (WEBER III 348). — Allein 
diese Ausnahmen sind auf die formellen Bedingungen eines 
Glaubenswechsels beschränkt, an dem Vorliegen und der Erfüllung 
der materiellen Voraussetzungen, besonders dem Alter der 
Volljährigkeit des Konvertenten, hält das bayerische Staatskirchen- 
recht unabänderlich fest. 
3. Bei der rechtlichen Wirkung eines Glau- 
benswechsels zeigt sich das Verhältnis zwischen staatlicher 
und kirchlicher Zuständigkeit am deutlichsten. 
Eine Austrittserklärung, die formell und materiell 
richtig abgegeben wurde, wirkt für sich allein, staatlich und 
kirchlich, ohne daß es noch einer ausdrücklichen Entlassung 
durch die bisherige Glaubensgesellschaft bedürfte. Dagegen wirkt 
die Eintrittserklärung gegenüber dem Geistlichen der neugewähl- 
ten Kirchengesellschaft für sich allein nur staatsrechtlich, also 
unvollständig. Vollwirksam wird der Glaubenswechsel erst mit 
der Erklärung der neuen Kirchengesellschaft, daß sie die betr. 
Person als ihr Mitglied anerkennt. Dem staatlichen Ueber- 
trittsakte ($ 10 RE.) muß sich die kirchliche Auf- 
nahme in die neu erkorene Religionsgemeinschaft nach Ma&- 
gabe der kirchlichen Satzungen anschließen; SEYDEL III 498, 
Wie stellt sich nun der Staat, wenn eine Kirche unter Um- 
gehung der staatlichen Normen eine Person in ihre Gemeinschaft 
aufnimmt ? 
Unter Beobachtung der verfassungsgesetzlich zugesicherten 
Gewissensfreiheit erklärt der Staat, daß kein Staatseinwohner in 
Gegenständen des Glaubens und Gewissens einem Zwange unter- 
worfen werden darf; Titel IV $ 9 Abs. 1 der bayer. VerfÜUrk., 
Archiv des öffentlichen Rechts. XXX. 4. 38
	        
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