Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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sich die Redner der Mehrheit einig waren. Wie die Verfassung 
zu gestalten sei, und welche Rechte der Reichstag in Heeres- 
fragen für sich verlangen müsse, darüber herrschte große Meinungs- 
verschiedenheit. Die Mehrzahl der Redner zu den Art. 56, 58 
und 65 des Entwurfs verlangte für den Reichstag in Bezug auf 
das Heer das „absolute uneingeschränkte Budget- 
recht,“ wie es die Parlamente in den einzelnen Bundesstaaten 
bisher besessen hätten. Unter diesem absoluten Budgetrecht, das 
sie für den Inbegriff des wahren Konstitutionalismus hielten, ver- 
standen sie zumeist das an keine Schranken gebundene Recht, 
alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes jährlich bewilligen 
oder versagen zu können. — Die Staatsrechtslehre hat inzwischen 
längst erkannt, daß ein solches Recht dem konstitutionellen Prin- 
zip direkt zuwiderläuft, daß ein Parlament mit solchen Befugnissen 
der alleinige Herr im Staate ist. Auch der Abgeordnete GNEIST! 
hatte in seiner Rede gelegentlich der Generaldebatte zum XII. Ab- 
schnitte der Verfassung schon auf diese Konsequenz hingewiesen, 
ohne jedoch bei seinen Parteifreunden Zustimmung zu finden. 
Mit dem Budgetrecht, wie sie es verstanden, gedachten die liberalen 
Parteien, alle Wünsche durchzusetzen, inbesondere wollten sie — 
wenn dies auch nicht offen ausgesprochen wurde — mit Hilfe 
des Budgetbewilligungsrecehtes Einfluß ausüben auf die Friedens- 
präsenzstärke und auf die Dienstzeit?. Die Frage, die zu An- 
fang den preußischen Militärkonflikt beherrscht hatte, wer zur 
Organisation des Heeres verfassungsgemüß berufen sei, trat 
demgegenüber vollständig in den Hintergrund. — 
Die Anschauungen der Mehrheit verdichteten sich zu Ab- 
änderungsanträgen zu den Artikeln 56, 58 und 65 des Entwurfes. 
Art. 56 und 58 erhielten nach den Anträgen des Abgeordneten 
VON FORKENBECK die Fassung der heutigen Artikel 60 und 62 
Abs. I. Mit Rücksicht auf die kriegdrohende politische Lage 
ı Bezo1D II. Band Seite 494 ff. 
? Vergleiche insbesondere die obige Rede GNEISTS. 
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