— 594 —
geben, die völkerrechtliche Haftung des Staates für die Vergehen seiner Be-
amten genauer darzustellen. Von sonstigen in Band I behandelten Fragen
wäre noch hervorzuheben der von dem Haager Schiedsgericht und dem
projektierten Gerichtshof handelnde $ 476 b. Dort wird insbesondere das
Haager Schiedsgericht in seiner heutigen Gestalt .zutreffend als „Liste“ be-
zeichnet, andererseits aber doch, ähnlich wie es neuestens WEHBERE tut,
der Unterschied zwischen Schieds- und ordentlicher Gerichtsbarkeit (m. E.
zu Unrecht) auf die Art der Entscheidung abgestellt. Endlich muß noch die
wichtige Unterscheidung erwähnt werden, die O. zwischen Garantie und die
von ihm sogenannten Pseudogarantieverträge aufstellt. Wenn O., anknüpfend
an das Mittelmeerabkommen von 1907 und an das Nord- und Ostseeabkom-
men von 1908, den Unterschied darin erblicken will, daß bei diesen schein-
baren Garantieverträgen, der status quo garnicht garantiert worden sei,
so scheint mir das zutreffend zu sein. Der Hauptunterschied zwischen
Garantie und Pseudogarantie liegt m. E. in der verschiedenen (schwächern)
Art der Sanktion. Während sonst die Verletzung eines garantierten Objektes
unmittelbar eine Vertragsverletzung, also ein völkerrechtliches
Delikt, darstellt, liegt hier erst dann ein solches vor, wenn ein Staat
der ihm obliegenden Pflicht, mit dem Pseudo-Garanten in Meinungsaus-
tausch zu treten, nicht nachgekommen ist. Die vertragliche Pflicht ist aber
auch in demselben Augenblick erfüllt, wo die Kontrahenten ihre Auffassung
sich mitgeteilt haben, irgend eine weitere Konsequenz braucht hieraus nicht
zu entspringen. — Soviel noch über Band I.
Was in Band II noch mehr als dort sofort ins Auge springt, ist die Beherr-
schung der ganzen in- und ausländischen Völkerrechtsliteratur, eine Er-
scheinung, die man aus anglo-amerikanischen Lehrbüchern von Ausnah-
men (z. B. Hersheys essentials of international law) abgesehen, nicht ge-
wohnt ist, und die Durchdringung des gesamten Stoffes mit praktischen
Fällen, die überwiegend der anglo-amerikanischen Praxis angehören. Ge-
rade hierin erblicke ich einen gar nicht hoch genug anzuschlagenden Vor-
teil des Buches. Nicht allein um dessentwillen, weil hierdurch die ein-
zelnen Lehrsätze dem Leser plastischer vors Auge gerückt werden, sondern
vor allem weil uns hier die für die Entwicklung, besonders des Seekriegs-
rechts, so überaus wichtige uns auf dem Kontinent trotz des Vorhandenseins
trefflicher Sammlungen, wie sie uns COBETT, ROScoE, ScoTT geschenkt
haben, nur wenigen bekannte anglo-amerikanische Praxis vermittelt wird,
und wir über so manche Auffassung aufgeklärt werden, die erst im Zu-
sammenhang mit dem konkreten Tatbestand verständlich wird# Nun zu
3 Wir treffen unter diesen 290 Fällen freilich auch viele all gemein
bekannte: der Trentfall, die Fälle General Armstrong, Hussar, Haimun,
Don Pacifico, Manuba, Bundesrath, Doelwigk, Rodger v. Allen und so viele
andere durften aber natürlich nicht fehlen.