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ständigkeit des Bundesrats und gegen LABANnDs Auslegung des Art.4 Z.1
der Reichsverfassung (Unterabschnitt I, 1—5).
Durch die ganze Schrift hindurch zieht sich eine besondere Art der
Auslegung. S. 69 formuliert der Verfasser das maßgebende Auslegungs-
problem selbst dahin: „in welchem Sinne die Begriffe eines (fesetzes aus-
zulegen sind, wenn die Tatbestände, die ursprünglich unter diese Begriffe
fielen, im Laufe der Zeit andere geworden sind, und zwar solche, an die
nachweisbar der (Gesetzgeber nicht denken konnte?“ Als Antwort darauf
bietet er unter Ablehnung einer Lösung im Sinne der freirechtlichen Schule
(Vorwort S. VIII, ferner 8.123, 124), aber auch unter Ablehnung einer rein
historischen, in Deutschland noch vorwiegenden wie einer rein rationali-
stischen, in Amerika vorwiegenden Lösung (S. 145 f., 233 f., vgl. auch S. 118,
119) und im Anschluß an Vorbilder aus der Privatrechtswissenschaft den
Satz: es sei nötig, „von dem wechselnden historischen Inhalt der Rechts-
institute abzusehen, auf Sinn und Zweck der einzelnen Verfassungssätze
zurückzugehen, um deren Bedeutung aus dem Zusammenhange des Ganzen
und aus den vom Verfassungsgesetzgeber gewollten Antithesen zu ent-
wickeln“. Aus diesem Gesichtspunkt rechtfertigt sich der Versuch, die
rechtliche Behandlung des Gebietserwerbes dadurch zu gewinnen, daß wir
ihn unter eine Kategorie brachten, die dem Gesetz bekannt ist, an die das
Gesetz selbst bestimmte Rechtsfolgen knüpft. „Nur dies Verfahren scheint
uns den berechtigten Forderungen der Konstruktion eines Tatbestandes
nach einem Gesetz zu entsprechen. In diesem Sinne bezeichneten wir den
Gebietserwerb als die Konstituierung einer öffentlichen Gewalt über bisher
noch nicht beherrschte seßhafte Personen und sagten, daß er sich nach
den für jene Konstituierung vorgesehenen Normen zu vollziehen habe.“ Aus
diesem Gesichtspunkt rechtfertigt er ferner den kolonialrechtlichen Inlands-
begriff im Sinne von KÖBNER (S. 146 f.).. Aus ihm gewinnt er auch die ver-
neinende Antwort auf die unter C aufgeworfene Frage (S. 232 f.).
Kormann.
Privatdozent Dr. Rudolf von Laun, Zur Lehre von der materiellen
Rechtskraft im Österreichischen Öffentlichen
Versicherungsrecht und im Sozialversicherungs-
entwurf. Wien 1911. Manzsche k. u. k. Hofverlags- und Univer-
sitätsbuchhandlung.
Die vorliegende Schrift, ein Sonderabdruck aus der Oesterreichischen
Zeitschrift für Öffentliche und private Versicherung, befaßt sich, im An-
schluß an die praktisch zweifellos höchst unbefriedigende Entscheidung
des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs bei BupwınsKı 5690 A, mit
der materiellen Rechtskraft der Entscheidungen über die im öffentlichen
Versicherungsrecht grundlegenden rechtlichen Zustandsverhältnisse: Ver-
sicherungspflicht, Versicherungsberechtigung, Mitgliedschaft, Anstaltszuge-