Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 30 (30)

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Wertung nach dem Wert der Leistung für die Förderung der Gesellschaft. 
Die Geschichte ist deshalb nicht erklärt mit dem Wechsel der Produktions- 
formen, sondern mit dem Wechsel der bei jeder Produktionsform führen- 
den, gesellschaftlich fördernden Schicht. Die Ungleichheit der subjektiven 
Rechte und der aus den subjektiven Rechten entspringenden subjektiven 
Macht hat die Tendenz der Vererbung, die aus der berechtigten Ungleich- 
heit zum unberechtigten Herrenrecht und zur Unfreiheit führt, Ein wesent- 
licher Teil der Rechtsentwickelung ist die Beseitigung der zum Unrecht 
gewordenen, von den Benachteiligten als unberechtigt gewerteten Ungleich- 
heit zugunsten einer andern, zuerst gerecht, dann wieder ungerecht wer- 
denden Ungleichheit. Das Recht der Gleichheit wird erst möglich sein, 
wenn die volle innere Macht der Gleichheit gegeben ist, wenn die Menge 
genug innere Werte besitzt, um aus sich selbst, ohne bevorrechtete Herren, 
den Vorteil der kleinen Zahl zu finden. „Vielleicht ist (der Maßstab der 
Gerechtigkeit) darin zu finden, daß ein Recht durch die Werte, die es ent- 
faltet, auf dem geschichtlichen Wege zur Gleichheit weiterführt.“ 
Das Streben auf Ausgleichung der als ungerecht empfundenen Ungleich- 
heiten, auf Befreiung von den als solche empfundenen Unfreiheiten, die in 
den einzelnen Rechtsunterworfenen lebendigen Wertungen der überkommenen 
Zustände werden bei dieser Betrachtung zur Triebfeder der Rechtsentwicke- 
lung, der Rechtsbildung, die sich in massenhaften dem Rechtsgefühl jeweils 
entsprechenden Bestätigungen vollzieht, bis ein Akt der Gesetzgebung oder 
beim Gewohnheitsrecht die richterliche Anerkennung sie abschließt. Die 
in den einzelnen lebendigen Wertungen bestimmen so das Recht und geben 
jedem Abschnitt der Rechtsentwickelung das Gepräge. 
Von dieser Lehre der Abhängigkeit des Rechts von der Anerkennuug 
durch die Masse der Rechtsunterworfenen aus findet WIESER die Möglich- 
keit, zur Einschätzung der Arbeiterbewegung unserer Tage. Sie ist ein- 
mal zum Teil berechtigt als Abwehr der Proletarier gegen das, was sie in 
unsern gegenwärtigen Zuständen benachteiligt, und als Triebkraft zu aus- 
gleichenden Umgestaltungen unserer Rechtsordnung. Andrerseits ist sie 
keine Gefahr wegen der in der Bourgeoisie lebendigen Wertungen und, da 
„jene Stimmung, die den massenhaften Zuzug der Arbeiter vom Lande in 
die Industrie hervorruft, welche ihnen durch ihr gesellschaftliches Werk 
Beschäftigung gibt“, „auch zu den Wirklichkeiten des proletarischen Lebens 
gehört“. Dieser etwas dunkle Satz WIESERs meint wohl, daß die Bewun- 
derung und anerkennende Bewertung des gegenwärtigen Baus der Gesell- 
schaft auch in der Proletarierseele, neben der Bewertung der eigenen 
Klasse und dem Gefühl ihrer Unterdrückung lebendig ist und dem gegen- 
wärtigen Bau der Gesellschaft in der Proletarierseele einen Schutz gewährt. 
Zudem ist nach WIESER auch das Proletariat in sich nach dem Gesetz der 
kleinen Zahl geschichtet und zur Macht neben den gegenwärtig herr- 
schenden Mächten kann nur die kleine Führerschaft im Proletariat, nicht
	        
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